Shannara V
mit.«
Morgan nickte. »Abgemacht. Aber kein Wort mehr über das Sterben.«
Sie schwiegen eine Weile, bis Carisman weitersprach. »Weißt du, daß das, was für mich einer Familie am nächsten kam, die Urdas waren? Trotz der Tatsache, daß ich ihr Gefangener war, kümmerten sie sich um mich. Ich bedeutete ihnen etwas. Und sie mir. Wie eine Familie. Seltsam.«
Morgan dachte an seine Familie, seine Eltern, seine Brüder. Er erinnerte sich an ihre Gesichter, den Klang ihrer Stimmen, die Art, wie sie sich bewegten. Das brachte ihn dazu, an die Talbewohner zu denken, an Par und Coll. Wo waren sie? Dann dachte er an Steff, der nun schon seit einigen Wochen tot war, der schon zu einer Erinnerung wurde, mit der Geschichte seiner Vergangenheit verschmolz. Er dachte an das Versprechen, das er seinem Freund gegeben hatte - daß er, wenn er die Magie finden würde, die den Zwergen in ihrem Kampf um Freiheit helfen konnte, sie gegen die Föderation und gegen die Schattenwesen einsetzen würde. Wilde Entschlossenheit durchströmte ihn und löste sich wieder. Vielleicht erwies sich der schwarze Elfenstein als die Waffe, die er brauchte. Wenn der Stein andere Magien zunichte machen konnte, wenn er tatsächlich stark genug war, das untergegangene Paranor zurückzubringen, indem er dem Zauberbann entgegenwirkte …
»Sie mochten die Musik, verstehst du, aber es war mehr als nur das«, fuhr Carisman fort. »Ich glaube, sie mochten mich selbst auch. Sie waren ein bißchen wie Kinder, die einen Vater brauchen. Sie wollten alles über die Welt außerhalb ihres Tales erfahren, über die Vier Länder und die Völker, die dort leben. Die meisten waren nie über die Grenze der Stachelberge hinausgekommen. Ich war schon überall gewesen.«
»Nur hier noch nicht«, sagte Morgan lächelnd.
Aber Carisman schaute woandershin. »Ich wünschte, ich wäre nie hierhergekommen«, sagte er.
Die Gruppe setzte ihre Erkundungen des Abwassersystems von Eldwist fort und fanden es nach wie vor bar jeglichen Lebens. Sie fanden nichts - nicht die kleinste Wühlmaus, keine Fledermaus, nicht einmal die Insekten, die sonst unter der Erde gedeihen. Und keinerlei Anzeichen von Uhl Belk. Da war nur das Gestein, das bewies, daß er hiergewesen war. Sie wanderten während mehrerer Stunden und begannen dann den Rückweg. Das Tageslicht würde in kurzer Zeit verlöschen, und sie hatten nicht die Absicht, draußen zu sein, wenn der Kratzer seine nächtlichen Säuberungsaktionen begann.
»Es ist möglich, daß er nicht in die unterirdischen Tunnel kommt«, überlegte Walker Boh.
Aber keiner hatte Lust, das herauszufinden. Sie folgten den gewundenen Katakomben, überquerten wieder die Grablöcher des Malmschlunds und drängten unverdrossen weiter durch die Finsternis. Grunzen und Schnaufen waren die einzigen Geräusche. Ihre Gesichter waren von der Anspannung gezeichnet, in ihren Augen spiegelten sich ihre Entmutigung und ihre Unzufriedenheit. Niemand sagte etwas. Was sie dachten, brauchte keine Worte.
Plötzlich ließ Walker sie anhalten und zeigte ins Finstere. Da war eine Öffnung in dem Tunnel, die ihnen zuvor entgangen war, kleiner als die Kanalröhren und fast unsichtbar in der Dunkelheit. Walker kauerte sich nieder, um hineinzuschauen, dann verschwand er.
Kurz darauf kam er wieder. »Dort gibt es eine Höhle und einen Treppenschacht nach unten«, berichtete er. »Es sieht so aus, als ob es weiter unten noch ein Tunnelnetz gibt.« Sie folgten ihm in die darunter liegende Höhle, eine Kammer, deren Wände und Boden mit Splittern übersät und von tiefen Rissen durchzogen waren. Sie fanden den Treppenschacht und schauten in die Finsternis hinunter. Es war unmöglich, irgend etwas zu erkennen. Sie tauschten unbehagliche Blicke miteinander. Wortlos ging Walker zu der Treppe, und, die Behelfsfackel in der Hand, begann er, die Stufen hinunterzusteigen. Nach einem kurzen Zögern folgten ihm die anderen schließlich.
Die Stufen führten tief hinunter, ausgetreten und glitschig. Der Geruch des Ozeans war hier gegenwärtig, und sie konnten das Tröpfeln von Seewasser in der Dunkelheit hören. Als sie unten angekommen waren, fanden sie sich in der Mitte eines breiten, hohen Tunnels wieder, in dem sich der Felsen kristallisiert hatte und dicke steinerne Eiszapfen von der Decke ragten, von denen Wasser in schwarze Pfützen tropfte. Walker wandte sich nach rechts, und sie gingen weiter. Die Feuchtigkeit machte die Luft eisigkalt, und die sechs zogen ihre Umhänge fester
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