Shannara V
kürzlich hereingekommen und wieder hinausgegangen. Horner Dees?
Aber Dees sollte eigentlich die ganze Zeit dort sein und auf ihre Rückkehr warten.
Sie durchquerten das Labyrinth aus Räumen und Fluren und betraten das Zimmer, das ihnen als Hauptquartier diente. Das Zimmer war leer. Walker ließ seinen Blick von den feuchten Flecken über die Schatten der Türen in allen Wänden wandern; er lauschte angestrengt auf irgendwelche Geräusche. Dann ging er hinüber an eine Stelle, wo jemand gesessen und gegessen hatte.
Sein Instinkt reagierte unerwartet.
Er konnte Pe Ell förmlich riechen.
»Horner? Wo bist du?« Morgan spähte in andere Zimmer und Korridore und rief dabei nach dem alten Fährtensucher. Walker begegnete Quickenings Blick und sagte nichts. Der Hochländer verschwand für einen Augenblick und kam dann zurück. »Er sagte, er würde hier auf uns warten. Ich verstehe das nicht.«
»Wahrscheinlich hat er es sich anders überlegt«, gab Walker ruhig zu bedenken.
Morgan sah nicht überzeugt aus. »Ich glaube, ich mache mal eine Runde.«
Er verließ das Zimmer durch die Tür, durch die sie gerade hereingekommen waren, und ließ den Dunklen Onkel und die Tochter des Königs vom Silberfluß allein zurück.
»Pe Ell war hier«, sagte sie, ihre schwarzen Augen fest auf die seinen gerichtet.
Er ließ sich vom Feuer ihres Blicks wärmen; er empfand dieses vertraute Gefühl von Verwandtschaft, von geteilter Magie. »Ich habe nicht den Eindruck, daß es einen Kampf gegeben hat«, sagte er. »Kein Blut, kein Durcheinander.«
Quickening nickte nüchtern und wartete ab. Als er nicht weitersprach, kam sie auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. »Was denkst du, Walker Boh?« fragte sie, Sorge im Blick. »Worüber hast du auf dem ganzen Weg hierher nachgedacht, so in dich selbst versunken?«
Sie streckte die Hände aus und faßte nach seinem Arm und hielt ihn fest. Sie hob das Gesicht, ihr Silberhaar fiel nach hinten, und ihr edles Gesicht wurde in das graue Licht getaucht. »Sag mir’s.«
Er fühlte sich bloßgelegt, ein dünnes, verknittertes, geschlagenes bißchen Leben mit kaum genug Kraft, sich vor dem endgültigen Zusammenbruch zu bewahren. Der Schmerz reichte von seinem verwundeten Arm bis in sein Herz, gleichzeitig körperlich und seelisch, eine alles überrollende Woge, die ihn fortzuschwemmen drohte.
»Quickening«, sagte er leise, und der Klang ihres Namens schien ihn zu beruhigen. »Ich dachte, daß du menschlicher bist, als du dir eingestehen willst.«
Sie war sichtlich überrascht.
Er lächelte traurig, ironisch. »Ich bin vielleicht kein Kenner solcher Sachen, weniger empfänglich, als ich sein sollte, ein Flüchtling, der als Junge ohne Freunde herangewachsen ist und zuviel allein gelebt hat. Aber ich erkenne etwas von mir selbst in dir. Du hast Angst vor den Gefühlen, die du in dir selbst entdeckt hast. Du gibst zu, daß du die menschlichen Emotionen besitzt, mit denen dein Vater dich ausgestattet hat, als er dich erschuf, doch du weigerst dich, das, was du wahrnimmst, als ihre Konsequenzen zu akzeptieren. Du liebst den Hochländer - doch du versuchst es zu verstecken. Du verdrängst es. Du verachtest Pe Ell - doch du verführst ihn wie ein Köder einen Fisch. Du ringst mit deinen Emotionen, du weigerst dich, sie zuzugeben. Du kämpfst so hart darum, dich vor deinen Gefühlen zu verstecken.«
Ihre Augen suchten die seinen. »Ich lerne noch immer.«
»Widerwillig. Als du dem Steinkönig gegenübertratst, hattest du es eilig, ihm den Grund deines Kommens mitzuteilen. Du sagtest ihm alles; du hast nichts versteckt. Nicht den geringsten Versuch einer Täuschung oder List. Doch als Uhl Belk deine Bitte abschlug - was du sicherlich schon vorher wußtest -, wurdest du zornig, beinahe …« Er suchte nach dem passenden Wort. »Beinahe rasend«, sagte er dann. »Das war das erste Mal, seit ich dich kenne, daß du dir gestattet hast, deine Gefühle offen zu zeigen, ohne dich darum zu kümmern, wer dich dabei sieht.«
Er sah ein Flackern des Verstehens in ihren Augen. »Dein Zorn war echt, Quickening. Er war Ausdruck deines Kummers. Ich glaube, du wolltest, daß Uhl Belk dir den schwarzen Elfenstein gibt, weil du überzeugt bist, daß etwas geschehen wird, wenn er es nicht tut. Ist das so?«
Sie zögerte, hin und her gerissen, dann atmete sie langsam und gequält aus. »Ja.«
»Du glaubst, daß wir den Elfenstein erlangen werden. Ich weiß, daß du es glaubst. Du glaubst es, weil dein Vater gesagt
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