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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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umhüllten, blieben still und reglos.
    Was würde wohl geschehen, wenn er die Klinge des Stiehls in ihren Körper rammte, überlegte er. Was würde er in diesen bodenlos schwarzen Augen lesen? Was würde er fühlen? Die Vorfreude auf diesen Augenblick brannte wie Feuer in ihm. Er hatte seit einiger Zeit nicht mehr an ihre Ermordung gedacht, weil ihm keine andere Wahl blieb, als abzuwarten und die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen, wenn er sich den schwarzen Elfenstein sichern wollte. Doch jetzt war der Augenblick nicht mehr fern, glaubte er. Sobald er in den Unterschlupf des Kratzers eingedrungen wäre, das Versteck des Steinkönigs gefunden, sich den Besitz des schwarzen Elfensteins gesichert und Horner Dees beiseite geschafft hätte …
    Er zuckte zusammen.
    Trotz seiner Bereitschaft erschrak er, als sich gegenüber die Steinplatte hob und der Kratzer erschien. Schnell verdrängte er alle weiteren Gedanken an Quickening. Der dunkle Leib des Schleichers glitzerte, wo die dünnen Lichtstrahlen der Sterne, die es geschafft hatten, durch die Wolkendecke zu dringen, sich auf den Panzerplatten spiegelten. Das Monster trat aus der Öffnung und blieb dann stehen, als sei es auf etwas aufmerksam geworden. Die Fühler wedelten prüfend durch die Luft, der Peitschenschwanz zuckte. Die zwei Männer duckten sich noch tiefer in den Schatten ihres Verstecks. Der Schleicher verweilte noch einen Moment reglos, dann schien er befriedigt, drehte sich um und betätigte den Riegel über seinem Kopf. Die Steinplatte glitt geräuschlos an ihren Platz. Der Kratzer wandte sich um und watschelte in den Nebel und die Finsternis davon, seine eisernen Beine schlurften über den Boden wie lockere Ketten.
    Pe Ell wartete, um sicherzugehen, daß das Biest wirklich fort war, dann winkte er Horner Dees, ihm zu folgen. Gemeinsam glitten sie auf die Straße hinaus, überquerten sie und blieben vor dem Unterschlupf des Kratzers stehen. Dees holte ein Seil mit einem Kletterhaken hervor und schleuderte ihn über einen steinernen Vorsprung über die Geheimtür. Der Anker traf mit einem dumpfen Klirren auf und hielt. Dees prüfte das Seil, nickte und reichte Pe Ell das Ende. Pe Ell kletterte mühelos hinauf, bis er auf der Höhe des Riegels angekommen war. Er betätigte ihn, und das Paneel begann sich zu heben. Pe Ell ließ sich flink zu Boden gleiten, und mit Horner Dees an seiner Seite beobachtete er, wie der finstere Keller des Gebäudes in Sicht kam.
    Vorsichtig schlichen sie hinein.
    Hinter dem Eingang herrschte tiefste Finsternis. Fahles graues Licht fiel von den höher gelegenen Fenstern durch Löcher in den verrotteten Fußböden und beleuchtete kleine Flecken in der Schwärze. Kein Geräusch war von drinnen zu hören. Nichts rührte sich.
    Pe Ell drehte sich zu Dees. »Überwach du die Straße«, flüsterte er. »Pfeif, wenn was ist.«
    Er schlüpfte in die Finsternis, verschmolz damit so selbstverständlich, als wäre er ein Teil der Schatten. Er war sofort in seinem Element, und seine Augen und Ohren paßten sich an die Umgebung an. Die Mauern des Gebäudes waren nackt und verwittert, an manchen Stellen feucht, wo das Wasser durch die Fugen gesickert und über den Stein geronnen war, hoch und starr in dem schwachen Licht. Pe Ell bewegte sich vorsichtig weiter und wartete darauf, daß irgend etwas sich bemerkbar machen würde. Er fühlte nichts. Das Haus wirkte völlig leer.
    Etwas knirschte unter seinen Stiefeln und erschreckte ihn. Er spähte in die Schwärze hinunter. Knochen lagen über den Boden verstreut, Hunderte von Knochen, Überreste von Geschöpften, die der Kratzer bei seinen nächtlichen Reinigungszügen eingesammelt und in seinen Bau gebracht hatte, um sie zu fressen.
    Vom Eingang führte ein breiter Flur in eine große Halle und endete dort. Keine Türen, keine Gänge. Die Halle war einmal ein Innenhof gewesen und ragte bald hundert Meter zu einer gewölbten Decke, die von seltsamen Lichtmustern und dem langsamen Vorüberziehen der Wolken gesprenkelt war. In der Halle war es still. Pe Ell sah sich unglücklich um. Er wußte sofort, daß es hier nichts zu entdecken gab - weder den Steinkönig noch den schwarzen Elfenstein. Er hatte sich geirrt. Wut und Enttäuschung stiegen in ihm auf und zwangen ihn, seine Suche fortzusetzen, obwohl er wußte, daß es sinnlos war. Er machte sich daran, die gegenüberliegende Wand zu untersuchen, ließ seinen Blick in der verzweifelten Hoffnung, irgend etwas zu finden, über die Mörtelfugen

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