Shannara V
hat, daß es so sein wird.«
»Ja.«
»Aber du glaubst auch, wie er dir gesagt hat, daß es die Magie jener braucht, die du mitgenommen hast, um ihn zu bekommen. Keine Worte, keine Überredungskünste werden Uhl Belk dazu bringen, ihn herzugeben. Und dennoch meintest du, du müßtest es versuchen.«
Ihre Augen wurden feucht. »Ich habe Angst …«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Er beugte sich näher. »Wovor? Sag es mir.«
Morgan Leah erschien in der Tür. Er blieb stehen, wartete, daß Walker Boh sich von Quickening entfernte, und kam dann herein. »Nichts«, sagte er. »Keine Spur von Horner. Inzwischen ist es dunkel, und der Kratzer dürfte wieder unterwegs sein. Ich werde die Suche auf morgen verschieben müssen.« Er trat neben sie. »Gibt es irgendein Problem?« fragte er leise.
»Nein«, sagte Quickening.
»Ja«, sagte Walker.
Morgan riß die Augen auf. »Worum geht es?«
Walker Boh fühlte, wie sich die Schatten des Zimmers zusammenzogen, als sei die Dunkelheit plötzlich hereingekommen, um sie dort einzufangen. Der Hochländer, der Dunkle Onkel und das Mädchen standen da und schauten einander an. Es war, als seien sie an einen Scheideweg gelangt, als müßten sie nun einen Pfad wählen, von dem es kein Zurück mehr gab, als müßten sie eine Entscheidung treffen, vor der sie nicht ausweichen konnten.
»Der Steinkönig …«, begann Quickening.
»Wir gehen zurück, um den schwarzen Elfenstein zu holen«, sagte Walker Boh.
Kaum mehr als einen Kilometer entfernt wartete Horner Dees an einem Fenster im zweiten Stock eines Hauses gegenüber dem Unterschlupf des Kratzers darauf, daß der Schleicher auftauchte. Sie waren schon geraume Zeit auf ihrem Posten, hatten sich sorgfältig im Schatten versteckt und warteten mit der Geduld erfahrener Jäger. Der Regen hatte endlich aufgehört und sich in Nebel umgewandelt, als die Luft kühler und ruhiger wurde. Feiner Dampf stieg in Fetzen vom Stein der Straßen auf und ringelte sich schlangengleich empor. Von irgendwo tief unter der Erde drang das ferne Rumpeln des erwachenden Malmschlunds.
Pe Ell dachte an die Menschen, die er ermordet hatte. Es war seltsam, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wer sie waren. Eine Zeitlang hatte er sie noch gezählt, zuerst aus Neugier, später aus Gewohnheit, aber irgendwann waren es ihrer so viele und über so lange Zeit, daß er einfach den Überblick verlor. Zu Anfang waren die Gesichter noch klar gewesen, dann hatten sie angefangen, miteinander zu verschwimmen und dann ganz und gar zu verblassen. Jetzt kam es ihm vor, als könne er sich nur noch an den ersten und den letzten genau erinnern.
Die Tatsache, daß seine Opfer jegliche Identität eingebüßt hatten, war beunruhigend. Es legte nahe, daß er dabei war, die Schärfe seines Verstandes zu verlieren, die er für seine Arbeit brauchte. Es wies darauf hin, daß er das Interesse zu verlieren begann.
Er starrte in die schwarze Nacht hinaus, und eine ungewohnte Müdigkeit überfiel ihn.
Gereizt zwang er die Müdigkeit fort. Es würde anders sein, versprach er sich, wenn er das Mädchen tötete. Er mochte die Gesichter jener anderen aus Rampling Steep vergessen, den Einarmigen, den Hochländer, den Sänger und diesen alten Fährtensucher, schließlich war es nichts als eine Notwendigkeit, sie umzubringen. Aber Quickening würde er nie vergessen. Sie zu töten war eine Frage von Stolz. Sogar jetzt konnte er sie sich so genau vorstellen, als sitze sie neben ihm, die sanften Kurven der Haut über ihren Knochen, die Neigung ihres Kopfes, wenn sie zu ihm sprach, die Art und Weise, wie ihre Augen ihn aufsaugten, die Gesten ihrer Hände, wenn sie sich bewegte. Sie war ohne Zweifel das wundersamste Geschöpf, bezaubernd in einer Weise, die jeglicher Beschreibung trotzte. Sie besaß die Magie des Königs vom Silberfluß, so alt wie das Leben selbst. Er wollte diese Magie schlürfen, wenn er sie tötete; er hielt das für durchführbar. Und sobald er das getan hätte, wäre sie ein Teil von ihm, lebte in seinem Inneren, eine stärkere Präsenz als die unauslöschlichste aller Erinnerungen, die sich in ihm offenbaren würde, wie nichts anderes es könnte.
Neben ihm bewegte Horner Dees sich leise, um seine verkrampften Muskeln zu lockern. Pe Ell war noch immer tief in seine eigenen Gedanken versunken und schaute nicht hinüber. Er hielt seinen Blick starr auf die glatte Oberfläche des versteckten Eingangs auf der anderen Straßenseite gerichtet. Die Schatten, die ihn
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