Shannara V
verbannt hatte, hervorkommen zu lassen. Der Finsterweiher mit seinen verschrobenen Rätseln war es gewesen, der ihn zur Halle der Könige und seiner Begegnung mit dem Asphinx geführt hatte. Es war der Finsterweiher, der ihn seinen Arm gekostet hatte, seinen Geist und etwas, das er einmal war. Verwundet an Leib und Seele - so sah er sich selbst. Der Finsterweiher würde frohlocken, wenn er es wüßte.
Er hob für einen Moment das Gesicht und ließ den Regen darüberrinnen und seine Haut kühlen. Er hatte es nicht für möglich gehalten, daß ihm in so nassem Wetter so heiß sein könnte.
Es war natürlich die Vision des Finsterweihers, die ihn verfolgte - die drei düsteren, rätselhaften Zukunftsvisionen, die nicht notwendigerweise korrekt sein mußten, Lügen, die zu Halbwahrheiten verdreht waren, von Lügen überschattete Wahrheiten und dennoch wirklich. Die erste hatte sich schon erfüllt; er hatte geschworen, er würde sich lieber eine Hand abhacken, als sich der Sache der Druiden zu verschreiben, und das war ganz genau das, was er getan hatte. Und dann hatte er sich trotzdem der Sache verschrieben. Ironisch, poetisch, beängstigend.
Die zweite Vision handelte von Quickening. Die dritte …
Seine gesunde Hand ballte sich zur Faust. Die Wahrheit war, daß er nie über die zweite hinaus nachgedacht hatte. Quickening. Auf irgendeine Weise würde er sie im Stich lassen. Sie würde sich um Hilfe bittend an ihn wenden, und er hätte die Möglichkeit, sie vor dem Fallen zu retten, und er würde sie sterben lassen. Er würde dort stehen und zuschauen, wie sie in einen finsteren Abgrund stürzte. Das war die Vision des Finsterweihers. Das war es, was sich bewahrheiten würde, falls er nicht ein Mittel fände, es zu verhindern.
Es war ihm allerdings nicht gelungen zu verhindern, daß die erste wahr wurde.
Abscheu erfüllte ihn, und er verbannte die Erinnerung an den Finsterweiher wieder in den fernen Winkel, aus dem sie hervorgekommen war. Der Finsterweiher, ermahnte er sich, war an und für sich schon eine Lüge. Aber war er selbst in dem Fall dann nicht auch eine Lüge? War er nicht genau das geworden? Er, der er so entschlossen gewesen war, sich aus den Machenschaften der Druiden herauszuhalten, so willig, jegliche Anwendung der Magie auszuschließen, mit Ausnahme derjenigen, die seinem eigenen, begrenzten Glauben diente, so überzeugt, er könnte der Meister seines eigenen Schicksals sein? Er hatte sich selbst wiederholt belogen, sich bewußt selbst getäuscht, alles mögliche vorgegeben und sein Leben zu einer Karikatur gemacht. Er steckte tief in seinen eigenen Fehleinschätzungen und Vorwänden. Er tat das, was er geschworen hatte, niemals zu tun - die Arbeit der Druiden, die Wiederherstellung ihrer Magie, die Erfüllung ihres Willens. Schlimmer noch, er hatte sich auf einen Handlungsablauf eingelassen, der nur zu seiner Vernichtung führen konnte - eine Konfrontation mit dem Steinkönig, um den schwarzen Elfenstein zu bekommen. Warum? Er klammerte sich an dieses Handlungsschema, als sei es das einzige, das ihn vor dem Untergang retten könnte, die einzige Möglichkeit, die ihm bliebe.
Das war es sicherlich nicht.
Er spähte durch die Nässe in die Stadt und stellte wieder einmal fest, wie sehr er den Wald von Hearthstone vermißte. Es war nicht nur der Stein der Stadt, ihre harte, erdrückende Stimmung, ihr ständiger Nebel und Regen. In Eldwist gab es keine Farben, nichts, was seinen Blick saubergewaschen, sein Gemüt aufgehellt und erwärmt hätte. Es gab nur Schattierungen von Grau, verschwommene Schatten, die sich übereinanderlagerten. Walker kam sich vor, als sei er selbst irgendwie ein Spiegel der Stadt. Vielleicht war Uhl Belk dabei, ihn umzuwandeln, so wie er das Land verwandelt hatte, vielleicht entzog er ihm gerade alle Farben seines Lebens und reduzierte ihn zu etwas ebenso Hartem und Leblosem wie Stein. Wie weit konnte der Steinkönig reichen? fragte er sich. Wie tief in seine Seele? Gab es irgendeine Grenze? Konnte er seine Arme bis nach Darkling Reach und Hearthstone ausstrecken? Konnte er ein Menschenherz finden? Im Laufe der Zeit voraussichtlich. Und Zeit galt einer Kreatur, die schon so lange lebte, überhaupt nichts.
Sie gingen hinüber zum Vordereingang ihres nächtlichen Refugiums und begannen, die Treppe hinaufzusteigen. Da Walker voranging, sah er die Wasserflecken auf den Steinstufen, die von seinen eigenen Tropfspuren für die anderen unkenntlich gemacht wurden. Jemand war
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