Shannara V
Nachdem er ein paar Nachforschungen angestellt hatte, wußte er die Namen der Kneipen, die von den Föderationssoldaten am meisten besucht wurden. Es gab drei davon, und alle drei lagen an der gleichen Straße nahe dem Markt. Er fand sie, wählte die wahrscheinlichste aus - es war ein dämmriger Saal, »Hoher Stiefel« genannt - trat ein, suchte sich einen Tisch in der Nähe der Bar, bestellte ein Bier und wartete. Obwohl es noch früh am Tag war, kamen schon vereinzelt Soldaten herein, Männer von der Nachtschicht, die noch nicht ins Bett gehen wollten. Eifrig unterhielten sie sich über das Garnisonsleben und scherten sich wenig darum, wer ihnen lauschen mochte. Morgan hörte aufmerksam zu. Von Zeit zu Zeit schaute er gerade lange genug auf, um eine freundliche Frage zu stellen. Manchmal gab er Kommentare von sich. Und hier und da bestellte er ein Bier für jemanden. Aber vor allem wartete er ab.
Ein großer Teil der Gespräche drehte sich um ein Mädchen, von dem das Gerücht ging, sie sei die Tochter des Königs vom Silberfluß. Sie war reichlich mysteriös aus dem Silberflußland aufgetaucht, südwestlich unterhalb des Regenbogensees, und war auf dem Weg nach Osten. Wo immer sie hinkam, in Dörfern oder Städten, die sie durchquerte, vollbrachte sie Wunder. Nie hatte es solche Magie gegeben, wurde behauptet. Sie war jetzt auf dem Weg nach Culhaven.
Die übrigen Kneipengespräche drehten sich um Klagen über die Art, wie die Föderationsarmee von den Offizieren dirigiert wurde. Da es sich um niedrigrangige Soldaten handelte, die sich beklagten, war die Art ihrer Unterhaltungen nicht weiter verwunderlich. Dies war der Teil, dem Morgan mit Interesse lauschte. Der Tag verstrich träge; es war schwül und stickig in dem Saal, und nur das kühle Bier und die Gespräche verhinderten die Langeweile. Föderationssoldaten kamen und gingen, doch Morgan blieb, wo er war, als fast unsichtbare Erscheinung nippte er an seinem Glas und lauschte. Er hatte zunächst gedacht, er würde von der einen Kneipe in die nächste ziehen, doch es wurde sehr bald deutlich, daß er alles, was er wissen mußte, erfahren würde, wenn er im »Hohen Stiefel« blieb.
Im Laufe des Nachmittags wußte er, was er wissen wollte. Es wurde Zeit zu handeln. Er stand auf und ging über die Straße in die zweite der Kneipen, genannt »Froschteich«, der passendste Name für das Lokal, den man sich denken kann. Er ließ sich hinter einem grünen, stoffbespannten Tisch nieder, der im Dämmerlicht dastand wie ein Seerosenblatt in einem dunklen Teich und hielt nach einem Opfer Ausschau. Er fand es fast sofort, einen Mann von ungefähr seiner Größe, niederer Soldat ohne besonderen Rang, der allein trank und in irgendwelche privaten Gedanken so versunken war, daß er den Kopf so weit gesenkt hielt, daß er fast den Tresen berührte. Eine Stunde verstrich, dann noch eine. Morgan wartete geduldig, bis der Soldat sein letztes Glas leergetrunken hatte, sich aufrichtete und schließlich durch die Türen nach draußen torkelte. Dann folgte er ihm.
Der Tag war fast vorüber, und das Tageslicht wurde grau mit dem herannahenden Abend. Der Soldat schlurfte unsicher die Straße hinunter, an Gruppen von anderen Soldaten und durchreisenden Händlern vorbei in Richtung der Baracken. Morgan wußte, wo er hinging, und schlüpfte an ihm vorbei, um ihm den Weg abzuschneiden. Als der Soldat neben einer Schmiede um eine Ecke kam, fing er ihn ab. Scheinbar stieß er rein zufällig mit ihm zusammen, doch er schlug so kräftig zu, daß der Mann bewußtlos war, noch ehe er zu Boden ging. Morgan ließ ihn fallen, murmelte etwas in gespielter Entrüstung und hob den Kerl dann auf und schwang ihn sich über eine Schulter. Der Schmied und seine Arbeiter und ein paar Passanten schauten herüber, und Morgan verkündete ziemlich gereizt, daß er den Kerl wohl oder übel in sein Quartier würde schleppen müssen. Dann stolzierte er mit vorgetäuschtem Widerwillen davon.
Er schleppte den bewußtlosen Soldaten ein paar Häuser weiter zu einer Scheune und schlüpfte hinein. Niemand sah ihn hineingehen. Dort im Finstern zog er dem Mann die Uniform aus, fesselte und knebelte ihn sorgfältig und zerrte ihn hinter einen Stapel Hafersäcke. Er zog die Uniform an, klopfte sie sauber, strich die Falten glatt und stopfte seine eigenen Kleider in einen Sack, den er mitgebracht hatte. Dann schnallte er sich die Waffen um und trat wieder hinaus.
Und beeilte sich. Das Gelingen seines Plans hing von
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