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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Mahnungen an das, was verloren war. Die Zukunft war ein vages Versprechen - Träume und Rauchwölkchen. Mit beiden konnte er nichts anfangen. Nur die Gegenwart zählte, denn die Gegenwart war das Hier und Jetzt dessen, was man war, die Ereignisse des Lebens, die Unmittelbarkeit des Todes, und man konnte sie kontrollieren, wie es weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft möglich war. Pe Ell glaubte an Kontrolle. Die Gegenwart war eine sich stetig weiterentwickelnde Kette von Augenblicken, die das Leben und Sterben schmiedeten, und man war immer da, um sie kommen zu sehen.
    Ein Fenster öffnete sich in die Nacht jenseits eines Tisches mit zwei Stühlen, und Pe Ell ließ sich auf dem einen nieder. Felsen-Dall gesellte sich dazu. Eine Weile saßen sie schweigend da, und jeder schaute den anderen an, doch sah noch etwas mehr. Sie kannten sich schon seit über zwanzig Jahren. Ihre Begegnung war ein Zufall gewesen. Felsen-Dall war damals Jungmitglied eines Polizeikomitees des Koalitionsrates und schon zutiefst verstrickt in die Gift verspritzende Politik der Föderation. Er war grausam und ehrgeizig und, kaum aus den Kinderschuhen herausgewachsen, schon jemand zum Fürchten. Er war natürlich ein Schattenwesen, aber nur wenige wußten das. Pe Ell, beinahe gleich alt, war ein Mörder, der damals schon über zwanzig Morde auf dem Gewissen hatte. Sie waren sich in den Schlafquartieren eines Mannes begegnet, den Felsen-Dall zu beseitigen gekommen war, ein Mann, nach dessen Position in der Südlandregierung er trachtete und dessen Einmischungen er lange genug geduldet hatte. Pe Ell war als erster dort angelangt, geschickt von einem anderen der vielen Feinde dieses Mannes. Sie hatten sich über der Leiche des Mannes schweigend gegenübergestanden, und die Nachtschatten hüllten sie beide in die gleiche Düsterkeit, die ihr Leben widerspiegelte, und sie hatten eine Verwandtschaft gefühlt. Beide verfügten über Magie. Keiner war, was er zu sein schien. Beide waren rücksichtslos unmoralisch. Keiner hatte Angst vor dem anderen. Draußen summte und klirrte und fauchte die Südlandstadt Wayfort unter den Intrigen von Männern, deren Ehrgeiz größer war als ihr eigener, doch deren Fähigkeiten weit geringer waren. Sie schauten einander in die Augen und erkannten ihre Möglichkeiten.
    Sie gründeten eine unwiderrufliche Partnerschaft. Pe Ell war die Waffe, Felsen-Dall die Hand, die sich ihrer bediente. Jeder diente dem anderen zu seinem eigenen Genuß; es gab keine Beschränkung und kein Band. Jeder nahm, was er brauchte, und gab, was gefordert war - doch keiner identifizierte sich mit dem anderen oder verstand, was der andere davon hatte. Felsen-Dall war der Schattenwesenführer, dessen Pläne ein unangetastetes Geheimnis waren. Pe Ell war der Mörder, dessen Tätigkeit seine absonderliche Leidenschaft blieb. Pe Ell nahm die Einladung an, wenn die Aufgabe spannend genug war. Sie labten sich genüßlich am Tod anderer.
    »Wer ist das, den du da unten gefangenhältst?« fragte Pe Ell plötzlich und brach damit das Schweigen, beendete den Sturm der Erinnerungen.
    Felsen-Dall neigte den Kopf ein wenig, eine knochige Maske, die sein Gesicht wie einen fleischlosen Schädel aussehen ließ. »Einen Südländer, einen Talbewohner. Einen von zwei Brüdern mit dem Namen Ohmsford. Der andere Bruder glaubt, daß ich diesen hier umgebracht habe. Ich habe dafür gesorgt, daß er das glaubt. Ich hatte es so geplant.« Der große Mann schien mit sich selbst zufrieden zu sein. »Wenn es Zeit dafür ist, werde ich dafür sorgen, daß die beiden sich wiederfinden.«
    »Dein eigenes Spiel, wie mir scheint.«
    »Ein Spiel mit sehr hohem Einsatz, einem Einsatz, der Magie von unvorstellbaren Ausmaßen mit einschließt - Magie, die größer ist als deine oder meine oder die von irgendwem sonst. Grenzenlose Kraft.«
    Pe Ell antwortete nicht. Er fühlte das Gewicht des Stiehls an seinem Schenkel, die Wärme seiner Magie. Es fiel ihm schwer, sich eine stärkere Magie vorzustellen - unmöglich, sich eine nützlichere auszumalen. Der Stiehl war die perfekte Waffe, eine Klinge, die alles durchtrennen konnte. Nichts hielt ihm stand. Eisen, Stein, die undurchdringlichste aller Verteidigungen - alles war nutzlos dagegen. Niemand war davor sicher. Sogar die Schattenwesen waren anfechtbar, sogar sie konnten damit zerstört werden. Das hatte er vor Jahren herausgefunden, als einer von ihnen wie eine schleichende Katze in sein Schlafzimmer gekommen war und

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