Shannara V
Verwandtschaft vereitelt jede Tarnung. Es muß jemand anderes sein als einer von uns, jemand, der ihr nah genug kommen kann, jemand, den sie nicht verdächtigt.«
»Jemand.« Pe Ells schiefes Lächeln verhärtete sich. »Es gibt haufenweise Jemands, Dall. Schick einen anderen. Du hast ganze Armeen von blindlings gehorsamen Halsabschneidern, die nur zu glücklich wären, ein Mädchen zu beseitigen, das töricht genug ist, zu zeigen, daß sie über Magie verfügt. Dieses Geschäft interessiert mich nicht.«
»Bist du sicher, Pe Ell?«
Pe Ell seufzte innerlich. Jetzt geht das Feilschen los, dachte er. Er stand auf und lehnte seinen gertenschlanken Leib über den Tisch, so daß er das Gesicht des anderen klar sehen konnte. »Ich habe dich oft genug sagen gehört, wie sehr ich für dich wie ein Schattenwesen wirke. Wir sind uns sehr ähnlich, erzählst du mir. Wir üben Magie aus, gegen die es keinen Schutz gibt. Wir verfügen über Einsicht in den Sinn des Lebens, die anderen abgeht. Wir teilen gemeinsame Instinkte und Fähigkeiten. Wir riechen, schmecken und fühlen gleich. Wir sind zwei Seiten der gleichen Münze. Und so weiter und so fort. Abo dann, Dall, wenn das so ist und du nicht lügst, würde ich doch von diesem Mädchen genauso schnell wie du erkannt werden, oder? Daher hat es keinen Sinn, mich hinzuschicken.«
»Du mußt es tun.«
»Muß ich wirklich?«
»Deine Magie ist nicht angeboren. Sie ist getrennt und unabhängig von dir und von dem, was du bist. Selbst wenn das Mädchen sie spürt, weiß sie nicht, wer du bist. Sie wird die Gefahr, die du für sie bedeutest, nicht erkennen. Du wirst in der Lage sein, zu tun, was zu tun ist.«
Pe Ell zuckte mit den Achseln. »Wie gesagt, die Sache interessiert mich nicht.«
»Weil du meinst, sie bedeutet keine Herausforderung?«
Pe Ell schwieg und setzte sich langsam wieder hin. »Ja. Weil es keine Herausforderung ist.«
Felsen-Dall lehnte sich in seinem Stuhl zurück, und sein Gesicht verschmolz mit dem Schatten. »Dieses Mädchen ist nicht einfach ein Geschöpf aus Fleisch und Blut; sie wird nicht leicht zu überwältigen sein. Sie besitzt gewaltige Magie, und ihre Magie wird sie beschützen. Es braucht noch stärkere Magie, um sie zu töten. Gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Waffen haben keine Chance. Meine Legionen von Halsabschneidern, wie du sie so verächtlich nennst, sind wertlos. Föderationssoldaten können sich ihr nähern, doch sie können ihr nichts anhaben. Schattenwesen können ihr noch nicht einmal nahe kommen. Und selbst wenn sie das könnten, nehme ich an, würde es keinen Unterschied machen. Verstehst du, was ich dir sage, Pe Ell?«
Pe Ell antwortete nicht. Er schloß die Augen und konnte fühlen, wie Felsen-Dall ihn anschaute.
»Dieses Mädchen ist gefährlich, Pe Ell, und um so gefährlicher, weil sie offensichtlich geschickt worden ist, um etwas von Bedeutung zu erreichen, und ich weiß nicht, was es ist. Ich muß es herausfinden, und ich muß es verhindern. Es wird beides nicht leicht zu erledigen sein. Es mag sogar deine Fähigkeiten übersteigen.«
Pe Ell neigte nachdenklich den Kopf. »Glaubst du das im Ernst?«
»Möglich.«
Pe Ell war blitzschnell aufgesprungen, hatte den Stiehl aus der Scheide gezogen und hielt die Spitze der Klinge knapp vor Felsen-Dalls Nase. Pe Ells Lächeln war furchteinflößend. »Wirklich?«
Felsen-Dall zuckte nicht, er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Tu, was ich dir sage, Pe Ell. Geh nach Culhaven. Such das Mädchen und finde heraus, was sie vorhat. Dann bring sie um.«
Pe Ell fragte sich, ob er Felsen-Dall umbringen sollte. Er hatte schon früher daran gedacht. Es ziemlich ernsthaft in Betracht gezogen. In letzter Zeit erschien ihm dieser Gedanke einigermaßen faszinierend. Er empfand keinerlei Loyalität zu dem Mann. Er war ihm so oder so nicht wichtig, abgesehen von den Gelegenheiten, die er ihm bot, und selbst die befriedigten ihn längst nicht mehr so wie früher. Er war der ständigen Versuche des anderen, ihn zu manipulieren, müde. Ihm behagte ihr Abkommen nicht mehr. Warum dem nicht ein Ende setzen?
Der Stiehl schwankte. Die Sache war natürlich, daß es keinen wirklichen Grund dafür gab. Felsen-Dall zu töten brachte überhaupt nichts, es sei denn, er war erpicht darauf, die Geheimnisse zu entdecken, die sich ihm im Augenblick des Todes des Ersten Suchers enthüllten. Das könnte sich als interessant erweisen. Andererseits brauchte man nichts zu übereilen. Es war besser, die
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