Shannara V
Schlamm besprühten. Der Boden wankte, als erwache ein eingegrabener Riese aus seinem Schlaf, und riesige Brocken flogen aus dem Boden wie die Knochen von des Riesen Schultern. Die versengte Oberfläche des Hügels begann sich selbst umzuwenden und zu verschwinden. Frische Erde kam herauf und deckte sie zu, fruchtbare, glänzende Erde, die die Luft mit einem kräftigen Geruch anfüllte. Starke Wurzeln ringelten sich schlangengleich hervor, wanden und drehten sich in Antwort auf das Donnergetöse. Grüne Sprossen begannen sich zu entfalten.
Und inmitten all dessen kniete das Mädchen. Ihr Körper unter den losen Gewändern war starr, und sie hatte ihre Arme bis zu den Ellbogen in der Erde vergraben. Ihr Gesicht war nicht zu sehen.
In der Menge hatten sich viele hingekniet. Manche beteten zu den Mächten der Magie, von denen man einst geglaubt hatte, daß sie das Schicksal der Menschen kontrollierten, manche nur, um sich gegen die Erdstöße zu schützen, die inzwischen so gewaltig geworden waren, daß auch die kräftigsten Bäume gerüttelt wurden. Erregung durchwallte Pe Ell und ließ ihn erröten. Er wollte zu dem Mädchen laufen, es umarmen und fühlen, was in ihr geschah, die Kraft mit ihr teilen.
Felsbrocken knirschten und dröhnten, als sie sich selbst zurechtrückten und die Form des Hanges umgestalteten. Terrassenmauern schichteten sich aus den Feldsteinen auf. Moos und Efeu füllten die Spalten. Pfade wanden sich von einem Niveau zum nächsten in sanfter Neigung. Bäume erschienen, Wurzeln wurden kleine Schößlinge, die Schößlinge ihrerseits wurden dicker und verzweigten sich, durchlebten Dutzende von Jahreszeiten des Wachstums in wenigen Minuten. Blätter knospten und entfalteten sich, als suchten sie gierig das Sonnenlicht. Gras und Buschwerk breiteten sich über die kahle Erde und verwandelten die verkohlte Oberfläche in üppiges Grün. Und Blumen! Pe Ell schrie auf in der Stille seines Bewußtseins. Überall waren Blumen, sie erblühten in den leuchtendsten Farben, die ihn zu blenden drohten. Blau und rot und gelb und lila - alle Schattierungen und Tönungen des Regenbogenspektrums überzogen den Hang.
Dann verstummte das Dröhnen, und die darauf folgende Stille wurde von Vogelgezwitscher gebrochen. Pe Ell warf einen Blick auf die Menge. Die meisten waren noch immer auf den Knien, mit weit aufgerissenen Augen und staunend verzückten Gesichtern. Viele weinten.
Dann wandte er sich wieder dem Mädchen zu. In wenigen Minuten hatte sie den ganzen Hang umgewandelt. Sie hatte ein ganzes Jahrhundert von Verheerung und Vernachlässigung, von absichtlichem Roden und Abbrennen und Einebnen ungeschehen gemacht und den Zwergen von Culhaven das Symbol dessen, wer und was sie waren, zurückgegeben. Sie hatte ihnen die Meadegärten wiedergegeben.
Sie kniete noch immer mit gesenktem Kopf am Boden. Als sie aufstand, konnte sie sich kaum halten. Sie hatte ihre ganze Kraft zur Wiedererstehung der Gärten verausgabt; sie schien nichts mehr übrig zu haben. Schwach schwankte sie mit schlaff herunterhängenden Armen, und ihr hübsches Gesicht war gezeichnet und verhärmt, und ihr silbriges Haar feucht und zerzaust. Pe Ell spürte ihren Blick wieder auf sich gerichtet, und diesmal zögerte er nicht. Hurtig eilte er den Hang hinauf, sprang über Steine und Gebüsch und ließ die Pfade außer acht, als wären sie Hindernisse. Er fühlte, wie die Menge ihm nachdrängte, hörte ihre Stimmen aufschreien, doch sie bedeuteten ihm nichts, und er schaute sich nicht um. Er erreichte das Mädchen, als sie fiel, und fing sie auf. Sanft hielt er sie in den Armen, als habe er ein wildes Geschöpf gefangen, beschützend und besitzergreifend zur selben Zeit.
Ihre Augen schauten in die seinen, er sah ihre Intensität und ihr Leuchten und die Gefühlstiefe, die darin zum Ausdruck kam. In diesem Augenblick war er an sie in einer Weise gebunden, die er nicht zu beschreiben vermochte. »Bring mich an einen Ort, wo ich ruhen kann«, flüsterte sie.
Die Menge umringte sie jetzt, und er konnte sich ihrem aufgeregten Geschnatter nicht entziehen. Ein Meer von Gesichtern drängte in die Nähe. Er sagte etwas zu den Nächststehenden, um sie zu beruhigen, daß das Mädchen nur erschöpft sei, und er hörte, wie seine Worte von Mund zu Mund weitergegeben wurden. Er erhaschte einen Blick der Föderationssoldaten am Rande der Menge, doch sie zogen es weise vor, sich fern zu halten. Mit dem Mädchen auf dem Arm ging er los. Er staunte, wie wenig
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