Shannara V
in seiner Zelle auf einer Strohpritsche und dachte nach. Er hatte den größten Teil der Nacht wachgelegen, zu rastlos zum Schlafen, von Sorgen und Kummer und einem nagenden Gefühl der Aussichtslosigkeit geplagt, das er nicht verbannen konnte. Die Zelle war erdrückend, kaum dreieinhalb Meter im Quadrat, dafür aber über sechs Meter hoch, mit einer mehrere Zentimeter dicken Eisentür und einem einzigen, vergitterten Fenster so hoch oben, daß er es nicht erreichen konnte, um hinauszuschauen, nicht einmal, wenn er in die Höhe sprang. Die Zelle war nicht gereinigt worden, seit man ihn hineingeworfen hatte, und folglich stank es. Sein Essen wurde ihm zweimal am Tag durch einen Schlitz unten in der Tür zugeschoben. Auf die gleiche Weise bekam er Wasser zum Trinken, doch keines zum Waschen. Er war jetzt seit fast einer Woche eingesperrt, und er hatte niemanden zu Gesicht bekommen. Er kam langsam zu der Überzeugung, daß es auch in Zukunft so bleiben würde.
Das waren düstere Aussichten. Als sie ihn geschnappt hatten, war er sicher gewesen, daß sie es eilig hätten, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln herauszufinden, warum er sich solche gewaltigen Schwierigkeiten aufgehalst hatte, um die beiden alten Zwergendamen zu befreien. Er hatte einen Föderationsoffizier zusammengeschlagen und vielleicht sogar getötet. Er hatte eine Föderationsuniform gestohlen, um einen Föderationssoldaten zu verkörpern, hatte den Namen eines Föderationsmajors benutzt, um sich Eintritt in die Arbeitshäuser zu verschaffen, hatte den Föderationsoffizier im Dienst getäuscht und hatte die Föderationsarmee im ganzen wie einen Haufen von Tölpeln aussehen lassen. Das alles, um zwei alte Damen zu befreien. Ein ausgetrickstes, mißbrauchtes Föderationskommando mußte doch wissen wollen, warum. Sie mußten ihm doch die Demütigung und den Schaden, die er ihnen zugefügt hatte, heimzahlen wollen. Und doch hatte man ihn allein gelassen.
Er spielte im Geiste die Möglichkeiten durch. Es war unwahrscheinlich, daß er unbegrenzt ignoriert werden, daß er hier in dieser Zelle gehalten werden würde, bis man ihn einfach vergessen hatte. Major Assomal war, wie er erfahren hatte, im Feld. Vielleicht warteten sie auf seine Rückkehr, um mit dem Verhör zu beginnen. Aber wäre Kommandant Soldt geduldig genug, bis dahin zu warten, nach dem, was man ihm angetan hatte? Oder war er tot? Hatte Morgan ihn am Ende getötet? Oder warteten sie auf jemand anderen?
Morgan seufzte. Jemand anderer. Immer wieder kam er zu dem unausweichlichen Schluß. Sie warteten auf Felsen-Dall.
Er wußte, daß es das sein mußte. Teel hatte Elise und Jilt der Föderation, aber insbesondere den Schattenwesen verraten. Felsen-Dall mußte über ihre Verbindung zu Par und Coll Ohmsford und allen, die auf die Suche nach dem Schwert von Shannara gegangen waren, unterrichtet sein. Wenn jemand kam, um sie zu befreien, würde er gewiß davon in Kenntnis gesetzt werden - und würde nachschauen kommen, wen sie da erwischt hatten.
Behutsam drehte Morgan sich auf die andere Seite mit dem Rücken zur Wand und starrte ins Dunkel. Er hatte nicht mehr so starke Schmerzen wie in den ersten Tagen; die Spuren der Schläge begannen zu heilen.
Er hatte Glück, daß er nichts gebrochen hatte - er hatte überhaupt Glück, daß er noch am Leben war.
Oder vielleicht auch kein Glück, korrigierte er seinen Gedanken, je nachdem, wie man es betrachtete. Seine Glücksträhne, so schien es, war abgelaufen. Er dachte einen Moment an Par und Coll und bedauerte, daß er nicht zu ihnen gehen und nach ihnen schauen konnte, wie er es versprochen hatte. Was würde ohne ihn aus den beiden werden? Was war ihnen in seiner Abwesenheit widerfahren? Er fragte sich, ob Damson Rhee sie nach ihrer Flucht aus dem Schlund von Tyrsis versteckt hatte. Er fragte sich, ob Padishar Creel herausgefunden hatte, wo sie waren.
Er stellte sich tausend Fragen, und für keine fand er eine Antwort.
Am meisten fragte er sich, wie lange man ihn am Leben halten würde.
Er rollte sich wieder auf den Rücken und dachte daran, wie anders die Dinge für ihn hätten sein können. In einem anderen Zeitalter wäre er Prinz von Leah gewesen und hätte eines Tages über sein Heimatland regiert. Aber die Föderation hatte vor mehr als zweihundert Jahren der Monarchie ein Ende gesetzt, und heute regierte seine Familie über gar nichts. Er schloß die Augen und versuchte, alle Gedanken an das, was hätte sein können, zu
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