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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung wegen Gavilan. Sie konnte nicht schlafen, solange sie so unruhig, ihr Geist verwirrt und ihre Gefühle in Unordnung waren. Sie saß allein, den Rücken gegen einen Felsen gelehnt, während die Männer in einiger Entfernung zusammengerollt schliefen und Stresa sich an den Rand der Lichtung gekauert hatte. Vielleicht schlief auch er, vielleicht auch nicht. Sie starrte in die Dunkelheit, streichelte Faun wie abwesend und quälte sich mit Gedanken, die dunkler waren als die Nacht.
    Gavilan. Er war so freundlich gewesen, und sie hatte es so angenehm empfunden, mit ihm zusammen zu sein. Sie hatte ihn gemocht - vielleicht mehr als nur gemocht. Sie hatte sich Hoffnungen für sie beide gemacht, die sie sich selbst auch jetzt noch nicht einzugestehen wagte. Er hatte versprochen, ein Freund für sie zu sein, auf sie aufzupassen und ihr alle Fragen zu beantworten, so gut er konnte. Er wollte für sie dasein, wenn sie ihn brauchte. Er hatte so vieles versprochen. Vielleicht hätte er diese Versprechen halten können, wenn sie nicht gezwungen gewesen wären, den Schutz des Keel zu verlassen. Denn sie hatte sich nicht geirrt, als sie sich gesagt hatte, daß Gavilan schwach war. Er war nicht stark genug für das, was jenseits der Sicherheit der Mauern von Arborlon lag. Die Veränderungen an ihm waren sofort sichtbar geworden. Sein Charme hatte sich in Besorgnis gewandelt, dann in Schroffheit und schließlich in Angst. Er hatte die einzige Welt verloren, die er jemals gekannt hatte, und war nackt und ungeschützt Erfahrungen wie in einem Alptraum ausgesetzt worden. Gavilan war so tapfer gewesen, wie es ihm möglich gewesen war, aber alles, was er gekannt und worauf er sich verlassen hatte, war ihm genommen worden. Als die Königin starb und der Stab Wren anvertraut wurde, war das einfach zuviel für ihn gewesen. Er hatte sich immer selbstverständlich für den Nachfolger der Königin gehalten und geglaubt, mit der Macht der Elfensteine alles erreichen zu können. Er hatte sich darauf festgelegt und hatte an nichts anderes mehr gedacht. Er war davon überzeugt gewesen, daß er die Elfen retten würde, daß es ihm bestimmt war, dies zu tun, und daß die Magie ihm die Mittel dazu geben würde.
    Laß mich den Stab nehmen, konnte sie ihn noch immer bitten hören.
    Und sie hatte ihm diesen Stab gegeben. Das war dumm gewesen.
    Tränen traten in ihre Augen. Er war wahrscheinlich in Panik geraten, dachte sie. Er war wahrscheinlich davon überzeugt gewesen, daß sie tot sei, daß sie alle tot seien. Und daß er allein sei. Er hatte wahrscheinlich versucht, fortzukommen. Der Elfenjäger hatte dabei seine Angst unterschätzt, seinen Wahnsinn. Er hatte sicher auch die Laute der Drakuls gehört, ihr Flüstern und ihre Lockungen. Das alles hatte ihn sicher erdrückt. Und dann hatte er Dal getötet, weil…
    Nein ! Sie weinte und konnte nicht aufhören. Sie ließ es zu, weil sie wütend war, daß sie versucht hatte, Entschuldigungen für ihn zu finden. Aber es schmerzte sie so sehr, sich die Wahrheit eingestehen zu müssen, die harte und unabweisliche Wahrheit - daß er schwach gewesen war, daß er gierig gewesen war, daß er berechnend gewesen war, anstatt logisch zu denken, und daß er einen Mann getötet hatte, der ihn hatte beschützen sollen. Dumm! Solch ein Wahnsinn! Aber die Dummheit und der Wahnsinn waren überall, überall um sie herum, ein so großes und undurchdringliches Labyrinth wie Eden’s Murk. Morrowindl nährte das alles, förderte beides, und für jedes gab es nur ein begrenztes Maß an Geduld. Wenn das erst einmal überschritten war, versuchte man, dem Wahnsinn ein Ende zu setzen. Gavilan hatte dieses Maß überschritten. Er konnte sich vielleicht nicht mehr selbst helfen und war jetzt fort, im Nebel verschwunden. Selbst wenn sie ihn fanden, was würde von ihm übrig sein?
    Sie biß sich ins Handgelenk, damit sie den Schmerz spürte. Sie mußten ihn natürlich finden - auch wenn er nicht mehr wichtig war. Sie mußten wieder in den Besitz des Ruhkstabes und des Loden gelangen, oder alles, was sie durchgemacht hatten, um von Morrowindl fortzukommen, und alle Leben, die dafür gegeben worden waren - das ihrer Großmutter, das der Eule, Eowens und jene der Elfenjäger - wären umsonst geopfert worden. Dieser Gedanke brannte in ihr. Sie durfte das nicht zulassen. Sie wollte nicht zulassen, daß ihr Opfer vergebens war. Sie hatte es ihrer Großmutter versprochen. Sie hatte es sich selbst versprochen.

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