Shannara V
Flüssigkeit und Wandel fand, fand sein Bruder Kraft in Beständigkeit und Unwandelbarkeit.«
Sie machte eine Pause. »Sein Name ist Uhl Belk. Er ist der Steinkönig. In alter Zeit hatte er keinen Namen, keiner der Verwandten meines Vaters hatte einen. Namen wurden nicht gebraucht. Mein Vater bekam seinen Namen von den Leuten des Landes; er hatte sie nicht darum gebeten. Uhl Belk nahm seinen Namen aus Angst an. Er nahm ihn an, weil er glaubte, daß er nur mit einem Namen sicher sein konnte zu überleben. Ein Name bedeutete Fortdauer, glaubte er. Um ihn herum wandelte sich die Welt, das Alte starb aus und gab den Platz für Neues frei. Er konnte nicht hinnehmen, daß er sich ändern sollte, denn wie das Gestein, von dem er seine Kraft bezog, war er unnachgiebig. Um zu überleben, bettete er sich tiefer auf die Weise, die ihn so lange erhalten hatte, grub sich in die Erde, von der er abhing. Er versteckte sich, als die Großen Kriege fast alles vernichteten. Er versteckte sich wieder, als die Kriege der Rassen das gleiche zu tun drohten. Er nahm seinen Namen an und hüllte sich in Stein. Wie für meinen Vater war seine Welt zu fast nichts geschrumpft, ein winziges bißchen Existenz war alles, was seine Magie beschützen konnte. Er klammerte sich verzweifelt daran, während die Kriege der Menschheit durch die Jahrhunderte wüteten, und er wartete, daß ein gewisses Maß an Vernunft wiederkehren würde.
Doch im Gegensatz zu meinem Vater vernachlässigte Uhl Belk den Auftrag, den das Wort ihm gegeben hatte. Im Kampf um sein Überleben verlor er den eigentlichen Sinn seines Daseins aus den Augen; er gelangte zu der Überzeugung, daß allein die Existenz, koste es, was es wolle, bedeutsam sei. Sein Auftrag, das Land zu erhalten und zu beschützen, war vergessen, sein Versprechen, sich für das Leben des Landes einzusetzen, hatte keine Bedeutung mehr. Er hegte und pflegte seine Magie mit einem einzigen Gedanken im Kopf - daß er dafür sorgen würde, so stark zu werden, daß seine Existenz niemals wieder von irgend etwas oder irgendwem bedroht würde.«
Quickening senkte den Blick, und als sie wieder aufschaute, waren ihre Augen voller Staunen. »Uhl Belk ist der Herrscher von Eldwist, einem Landstreifen weit im Nordosten jenseits des Charnalgebirges, wo das Ostland am Gezeitenstrom-Ozean endet. Nachdem er sich jahrhundertelang versteckt gehalten hat, kommt er nun hervor und fordert die Welt der Menschen für sich. Er tut dies mit seiner Magie, deren Kraft weiter zunimmt, sobald er sie benutzt. Er setzt sie wahllos gegen das Land ein - den Boden, das Wasser, die Bäume, die Geschöpfe, die ihre Nahrung daraus beziehen. Er verwandelt alles zu Stein und bezieht daraus Magie, die ihn noch stärker macht. Das gesamte Eldwist ist Stein, und das Land rundum fängt ebenfalls an zu versteinern. Der Gezeitenstrom hält ihn zur Zeit in Schach, denn er ist gewaltig, und selbst Uhl Belks Magie reicht noch nicht aus, einen Ozean zu überwältigen. Doch Eldwist ist an seiner Spitze mit dem Ostland verbunden, und nichts verhindert die Ausbreitung des Gifts nach Süden. Außer meinem Vater.«
»Und den Schattenwesen«, fügte Morgan Leah hinzu.
»Nein, Morgan«, sagte sie, und es entging keinem von ihnen, daß sie ihn allein beim Vornamen nannte. »Die Schattenwesen sind nicht Uhl Belks Feinde. Allein mein Vater versucht, die Vier Länder zu erhalten. Die Schattenwesen wie der Steinkönig würden die Länder gern umgestaltet sehen, so daß sie nicht wiederzuerkennen wären - öde und jeglichen Lebens beraubt. Die Schattenwesen und Uhl Belk lassen einander in Ruhe, denn sie haben nichts voneinander zu befürchten. Das kann sich eines Tages ändern, aber dann wird es für keinen von uns mehr eine Rolle spielen.«
Sie sah Walker an. »Denk an deinen Arm, Walker Boh. Das Gift, das ihn dir genommen hat, stammt von Uhl Belk. Der Asphinx gehört zu ihm. Alles Lebendige, das vom Steinkönig oder einem seiner Geschöpfe berührt wird, wird wie dein Arm - hart und leblos. Das ist die Quelle von Uhl Belks Macht, diese Beständigkeit, diese Unwandelbarkeit.«
»Und warum wollte er mich vergiften?« fragte Walker.
Ein Sonnenstrahl traf ihr Silberhaar und ließ es hell aufleuchten. Sie schüttelte die Sonne ab. »Er stahl einen Druidentalisman aus der Halle der Könige, und er wollte sichergehen, daß, wer auch immer den Diebstahl bemerkte, sterben müsse, ehe er etwas unternehmen konnte. Du hattest einfach das Pech, derjenige zu sein. Als die
Weitere Kostenlose Bücher