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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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dann zögerte Pe Ell noch, ehe er sein Breitschwert losschnallte. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel übrig. Morgan wäre jede Wette eingegangen, daß Pe Ell abgesehen von dem Breitschwert noch eine weitere Waffe bei sich hatte.
    »So ist es besser«, verkündete der Fremdling. »Und jetzt tretet einen Schritt zurück. So!« Er winkte, und die Urdas erhoben sich rasch auf die Füße. Er war ein mittelgroßer Mann mit schnellen, energischen Bewegungen und einem glattrasierten hübschen Gesicht unter seinem langen, goldblonden Haar. Seine blauen Augen zwinkerten. Er gestikulierte zu den Urdas und dann auf die Waffen am Boden. Die merkwürdig aussehenden Geschöpfe murmelten zustimmend und nickten mit den Köpfen. Er sang wieder etwas, das die Urdas zu kennen schienen. Seine Stimme war voll und wohltönend, und sein hübsches Gesicht strahlte. Als er geendet hatte, teilte sich der Kreis und ließ ihn hindurchtreten. Er trat direkt vor Quickening, verbeugte sich tief vor ihr, nahm ihre Hand in die seine und küßte sie. »Meine Lady«, sagte er.
    Dann sang er:
    »Fünf Wanderer querten Feld und Fluß
    und weite Wälder im Osten.
    Sie querten Charnals Berge,
    zum Nordland kamen sie.
    Tralali, tralala, tralali.
    Fünf Wanderer kamen von weither,
    kamen ins Urdaland.
    Sie trotzten den Gefahren der Stacheln
    zu König Carisman.
    Tralala, tralali, tralala.«
    Er verbeugte sich wieder vor Quickening. »So werde ich genannt, Lady. Und du?«
    Quickening stellte sich und ihre Gefährten vor. Es schien sie nicht zu beunruhigen, wenn er sie erführe. »Bist du tatsächlich ein König?« fragte sie.
    Carisman strahlte. »O ja, Lady. Ich bin König der Urdas, Herr über alle, die du hier versammelt siehst, und noch viele, viele mehr. Um ehrlich zu sein, ich habe mir diesen Job nicht ausgesucht, er wurde mir sozusagen aufgezwungen. Aber kommt nun. Wir haben reichlich Zeit, diese Geschichte später zu erzählen. Nehmt eure Waffen - behutsam natürlich. Wir dürfen meine Untertanen nicht mißtrauisch machen, sie beschützen mich eifrig. Ich lade euch in meinen Palast ein, und wir werden reden und Wein trinken und exotische Früchte und Fische verspeisen. Kommt jetzt, kommt, es soll ein königliches Fest werden!«
    Dees versuchte etwas zu sagen, doch Carisman war so schnell wie eine Feder, die vom Wind getragen wird, verschwunden; tanzend und irgendein neues Lied singend winkte er ihnen zu folgen. Der Fährtensucher, Morgan und Pe Ell nahmen ihre Waffen wieder an sich, und zusammen mit Quickening und Walker folgten sie ihm. Urdas umzingelten sie von allen Seiten, sie drängten sie nicht, doch sie blieben unbehaglich nah. Die seltsamen Kreaturen sprachen nicht, sondern machten sich nur Zeichen, und ihre Blicke huschten zwischen Carisman und den Reisenden fragend und wachsam hin und her. Morgan erwiderte den Blick jener, die ihm am nächsten waren, und versuchte ein Lächeln. Sie lächelten nicht zurück.
    Sie stiegen von den Stacheln hinunter in das bewaldete Tal westlich des Riffs, wo die Schatten am tiefsten waren. Ein schmaler Pfad schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, Carisman ging singend vorneweg, und die Prozession folgte ihm gehorsam. Morgan war im Laufe seines Lebens schon einigen seltsamen Gestalten begegnet, aber Carisman erschien ihm noch seltsamer als die meisten. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, warum irgendwer, selbst die Urdas, einen Kerl wie ihn zu ihrem König machten.
    Dees war einen Schritt zurückgefallen, um neben ihm zu gehen, und er fragte den alten Fährtensucher danach. »Wie gesagt, ein Stammesvolk. Abergläubisch wie die meisten Gnome. Glauben an Geister und Gespenster und anderen Unsinn.«
    »Und Carisman?« wollte Morgan wissen.
    Dees schüttelte den Kopf. »Ich gebe zu, ich habe keine Ahnung. Die Urdas wollen gewöhnlich nichts mit Fremden zu tun haben. Dieser hier wirkt so albern wie ein unreifer Bengel, aber offensichtlich ist es ihm irgendwie gelungen, ihren Respekt zu gewinnen. Ich habe noch nie von ihm gehört. Ich glaube nicht, daß bislang irgendwer von ihm gehört hat.«
    Morgan warf einen Blick über die Köpfe der Urdas auf den vorneweg stolzierenden Carisman. »Er wirkt reichlich harmlos.«
    »Ist er wahrscheinlich auch«, knurrte Dees. »Aber wie auch immer, seinetwegen mußt du dir keine Sorgen machen.«
    Sie zogen westwärts in Richtung der hohen Bergmauer. Das Tageslicht schwand jetzt schnell, die Dämmerung breitete sich aus, bis das ganze Waldland davon erfaßt war.

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