Shardik
den Tauschhandel anbieten könnte. Was aber halte Siristru, ganz unverbindlich natürlich, für den wahrscheinlichen Handelswert dieser Pferde – natürlich unter angemessener Berücksichtigung der Kosten und Mühen ihres Transportes von Zakalon zum Telthearna? Nun versuchten sie, die entsprechenden Werte von Wein- und Eisenlieferungen sowie feiner Handwerkserzeugnisse wie etwa das Kleid, das er vorhin bewundert hatte, abzuschätzen.
Der Statthalter bestellte noch Wein, und das geistig labile Mädchen bediente sie; sie spürte ihre Erregung und lächelte wie eine alte Freundin, die sich über die glückliche Geschäftigkeit des Statthalters freute. Siristru trank auf Zerays, der Statthalter trank auf Zakalons Wohl. Sie beglückwünschten einander zu ihrem günstigen Treffen und träumten weiter von einer Zukunft, in der die Menschen, frei wie die Vögel in der Luft, reisen und Güter von den entferntesten Punkten der Erde durch Zeray kommen würden. Der Statthalter trug Siristru eine Strophe des Liedes vor, das die Kinder gesungen hatten, und erläuterte, daß es tatsächlich seine Muttersprache – Ortelganisch – war; die Zeilen gehörten zu einem gesungenen Spiel von einer Katze, die einen Fisch gefangen hat.
»Was aber deine Reise nach Bekla anlangt«, sagte der Statthalter, plötzlich in die Wirklichkeit zurückkehrend, »die Straße von hier nach Kabin ist noch nicht fertig, weißt du. Dreißig Kilometer sind schon recht gut, aber die übrigen dreißig sind nichts als ein schlammiger Pfad.«
»Wir werden es schon schaffen, keine Angst. Aber vorher möchte ich eurem Fest beiwohnen – ihr nennt es doch Sharas Tag, nicht wahr? Deine Frau sprach davon. Sie erzählte mir von dem brennenden Floß – für Herrn Shardik, nicht wahr? Ich glaube auch, ich sollte mir den Vorteil des Zusammentreffens mit eurer Freundin, der weisen Frau, nicht entgehen lassen – ich war während der Reise nicht ganz gesund, und deine Frau sagt, sie ist eine großartige Ärztin.«
»Die Tuginda?«
»Ich glaube, ich habe ihren – ihren Namen nicht gehört – oder ist es ein Titel?«
»In ihrem Fall ist es beides.«
»Kommt sie über die halbfertige Straße, von der du sprachst?«
»Nein, sie kommt auf dem Wasserweg. In dieser Stadt haben wir das Glück, den Fluß als Hauptstraße für Reisen aus dem Norden zu haben. Ein Großteil der Provinz ist noch halb wild, wenn auch weniger wild als früher. Wir legen da und dort neue Siedlungen an, natürlich in den entfernteren Teilen niemals mit Kindern. Aber auf der Straße nach Kabin gibt es ein Kinderdorf; auf der Reise nach Bekla wirst du daran vorbeikommen. Es ist noch nicht sehr groß – zehn alte Soldaten und ihre Frauen sorgen für ungefähr hundert Kinder –, aber wir wollen es vergrößern, sobald das Land halbwegs imstande ist, eine größere Zahl zu erhalten. Es liegt an einer sicheren Stelle.«
»Ich wundere mich über die Kinder«, sagte Siristru, »über das wenige, das ich von ihnen gesehen habe. Eure Stadt scheint voll von Kindern – ich sah sie am Landungssteg und an euren Lagerhäusern arbeiten. Zwei Drittel der Einwohner sind offenbar Kinder.«
»Zwei Drittel – ja, das ist ungefähr richtig.«
»Dann sind nicht alle Kinder von hiesigen Einwohnern?«
»Ach, es hat dir noch keiner von den Kindern erzählt?« sagte der Statthalter. »Nein, natürlich, es war kaum Zeit dazu. Sie kommen aus vielen verschiedenen Orten – Bekla, Ikat, Thettit, Dari, Ortelga –, einige sogar aus Terekenalt. Alle haben aus dem einen oder anderen Grund die Eltern oder ihre Familie verloren. Viele wurden leider einfach verlassen. Sie werden nicht gezwungen hierherzukommen, wenn es auch für viele, nehme ich an, besser ist, als Not zu leiden. Es ist auch das ein hartes Leben, aber sie haben wenigstens das Gefühl, daß wir sie brauchen und schätzen. Das allein hilft ihnen schon beträchtlich.«
»Wer schickt sie her?«
»Nun, ich habe die verschiedensten Verbindungen – Leute, die für mich arbeiteten und mir Nachrichten schickten, als ich – in Bekla lebte; und auch der Statthalter von Sarkid hat uns sehr geholfen.«
Siristru empfand unwillkürlich einen gewissen Widerwillen. In seiner Begeisterung für den Handel baute dieser junge Statthalter offensichtlich seine Provinz aus und machte aus Zeray einen Hafen durch die Arbeit von mittellosen Kindern.
»Wie lange müssen sie hier bleiben?« fragte er.
»Sie müssen nicht, sie können jederzeit gehen, wohin sie wollen, aber die
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