Shardik
wir nun endlich in euer Land gekommen sind, will ich ihm morgen einen Boten mit einem Bericht über unsere Ankunft und alles, was vorgefallen ist, schicken. Es paßt mir durchaus, daß ich die Zeit bis zum Abendessen damit ausfüllen kann. Unser König wartet sicher begierig auf Nachrichten, verstehst du?« Er lächelte. »Ich kann mich irgendwohin setzen, wo ich niemandem im Weg bin.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Du wirst wirklich den Brief schreiben? Du selbst?«
»Nun – ja – wenn ich darf.«
»Gewiß darfst du – wenn wir finden können, womit und worauf du schreibst. Und das bezweifle ich eher. Darf ich dir dabei zusehen? Die einzigen, die ich je schreiben sah, waren die Tuginda und Elleroth, der Statthalter von Sarkid. Wo aber sollen wir finden, was du brauchst?«
»Mach dir keine Mühe; mein Diener ist hier. Er kann in meine Wohnung gehen.«
»Ich lasse ihn dir hereinschicken. Ich glaube, es ist für dich am bequemsten, wenn du hier im Zimmer bleibst. Draußen wird es jetzt kalt, und das einzige Feuer außer diesem ist in der Küche; Zilthe wird erst später eines in dem anderen Raum anzünden. Wenn es eine Gesellschaft gibt, können wir unsere Sache ebenso gut machen wie jeder alte Dorfälteste. Aber du wirst uns doch alle reich machen, nicht wahr?« Und sie lächelte ihm wieder zu, als wäre ihr Mangel an Luxus der beste Spaß.
»Du hast mir doch gesagt, du hast Kinder, oder?«
»Zwei – sie sind noch sehr klein. Der älteste ist kaum drei Jahre alt.«
»Willst du sie mir nicht zeigen, während mein Diener das Schreibzeug holt?«
»– war angenehm überrascht festzustellen, daß der junge Statthalter von Zeray über unsere Handelsaussichten sehr gut unterrichtet ist. Er versichert mir, daß die wichtigsten Städte uns verschiedene Güter anzubieten vermögen: Metalle, sicher Eisen und vielleicht auch Gold, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sowie ihren Wein – der ausgezeichnet ist, wenn er nur die Reise verträgt – und, ich glaube, verschiedene Edel- und Halbedelsteine, da bin ich nicht ganz sicher. Dafür könnten wir meiner Ansicht nach vor allem Pferde liefern. Die wird man, da besteht für mich kein Zweifel, gut bezahlen, da sie keine besitzen und noch nichts von ihnen wissen. Tatsächlich wird man, scheint mir, überlegen müssen, wie man diesen Handel regeln soll, der sicher eine tiefgehende Veränderung ihrer Lebensweise bewirken und für den, in nächster Zukunft, eine fast unbeschränkte Nachfrage bestehen wird.
Die Leute selbst, von denen ich bis jetzt noch nicht viele gesehen habe, gefallen mir eher. Sie sind natürlich Halbbarbaren, unwissend und ungebildet, aber ihre Kunst scheint mir, zumindest auf manchen Gebieten, vorzüglich und bemerkenswert. Es wurde mir erzählt, daß es in Bekla einige schöne Gebäude gibt, und das will ich gern glauben. Einige ihrer Kunstprodukte – zum Beispiel die gestickten Nähereien, die ich gesehen habe – würden zweifellos, wenn sie in Zakalon verkauft würden, sehr gesucht sein.
Eure Majestät kennt mein Interesse für religiöse und metaphysische Dinge und wird mich verstehen, wenn ich nun sage, daß ich zu meiner beträchtlichen Verblüffung hier auf einen seltsamen Kult gestoßen bin, der unzweifelhaft nicht nur das Leben in dieser Provinz, sondern auch, soweit ich feststellen kann, das der weiter im Westen liegenden Städte stark beeinflußt hat. Ich kann ihn am besten als eine Mischung von Aberglauben und visionärer Nächstenliebe beschreiben und hätte ihn, wären die durch ihn erzielten Ergebnisse nicht sichtbar, gewiß kaum geglaubt. Diese Menschen verehren, wenn ich den Statthalter richtig verstanden habe, einen riesenhaften Bären, den sie für gottgesandt halten. Natürlich ist die barbarische Verehrung eines großen und wilden Tieres, ob nun Bär, Schlange, Stier oder ein anderes Geschöpf, ebensowenig einzigartig wie der Begriff des Nutzens aus einem frommen Tod. In ihrem Glauben hat der Tod dieses Bären irgendwie – wie, weiß ich nicht – dazu verholten, gewisse Sklavenkinder zu befreien, und aus diesem Grunde betrachten sie die Sicherheit und Zufriedenheit aller Kinder als für den Bären überaus wichtig und deren Wohlergehen als heilige Pflicht. Man könnte sagen, daß sie Kinder wie eine reifende Ernte ansehen, von der nichts vergeudet oder verloren werden darf. Die Schädigung eines Kindes, zum Beispiel durch Trennung der Eltern, durch Verlassen des Kindes, oder irgendeine Beeinträchtigung seiner
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