Sharpes Zorn (German Edition)
sorgfältig darauf, dass man ihn vor dem heller werdenden Himmel sehen konnte, und wundersamerweise hatten die Franzosen die vierhundert Mann, die von Westen her auf sie zu marschierten, noch immer nicht bemerkt.
»Vorwärts, Jungs«, murmelte Harper vor sich hin. Seine Worte waren jedoch nicht an alle vorrückenden Kompanien gerichtet, sondern nur an die Jungs des 88th, der Connaught Ranger, eines irischen Regiments.
Sharpe schaute nicht hin. Plötzlich hatte ihn der Aberglaube überkommen, dass der Angriff scheitern würde, sollte er zuschauen. So starrte er stattdessen zum Fluss hinab und zählte die Pontons der Brücke, die als dunkle Schatten im Nebel über dem Wasser zu erkennen waren. Sharpe beschloss, erst wieder zum Fort zu schauen, wenn der erste Schuss erklang. Einunddreißig, zählte er schließlich, was hieß, dass die Pontons einen Abstand von je zehn Fuß hatten, denn der Fluss war hier knapp über hundert Yards breit. Die Pontons waren große, klobige, eckige Barken, über die man Planken gelegt hatte. Der Winter war in ganz Südspanien und Portugal ungewöhnlich nass gewesen, und dementsprechend viel Wasser führte der Guadiana nun. Sharpe sah deutlich, wie es an den Stellen schäumte, wo es auf die Pontons traf. Jedes Boot war einzeln im Flussbett verankert und über Taue am Bug mit seinen Nachbarn verbunden, während schwere Balken, die quer auf den Bootskörpern lagen, die Planken trugen, welche die eigentliche Brücke bildeten. Vermutlich wog sie mehr als hundert Tonnen, schätzte Sharpe, und ihr Auftrag würde erst zu Ende sein, wenn diese Brücke zerstört war.
»Die Bastarde sind ja wirklich verschlafen«, bemerkte Harper verwundert. Vermutlich sprach er von der Besatzung des Fort Joseph, doch Sharpe wollte noch immer nicht hinschauen. Er starrte zu Fort Josephine auf der anderen Seite des Flusses, wo er sah, wie sich Männer um ein Geschütz drängten. Dann traten sie zurück, das Geschütz feuerte, und schmutziger Rauch erschien über dem dünner werdenden Nebel. Das Geschütz hatte eine Kartätsche abgefeuert. Das Geschoss zerbarst, kaum dass es die Mündung verlassen hatte, und einen halben Zoll dicke Kugeln rasten durch die Luft und auf Sharpes Hügelkamm. Der Knall des Schusses hallte durch das Tal. »Jemand getroffen?«, rief Sharpe. Niemand antwortete ihm.
Das Geschützfeuer veranlasste die Besatzung des näher gelegenen Forts, ihre Aufmerksamkeit nur umso mehr auf den Hügel zu richten. Sie richteten nun eine ihrer eigenen Kanonen auf Sharpe und seine Männer aus und zielten so, dass die Kartätschenladung genau über den Kamm fegen würde.
»Haltet die Köpfe unten!«, befahl Sharpe. Dann ertönte das dumpfe Knallen von Musketen, und er wagte es, wieder zu den Angreifern zu blicken.
Es war so gut wie vorbei. Die Rotröcke waren bereits im Graben und sogar noch mehr auf den Leitern, und Sharpe sah, wie die Infanteristen über die Brüstung sprangen und sich mit aufgepflanztem Bajonett auf die Franzosen stürzten. Seine Gewehre waren unnötig.
»Macht, dass ihr außer Sichtweite der verdammten Kanonen kommt!«, brüllte er, und seine Männer liefen vom Kamm hinunter. Ein zweites Geschütz schoss vom Fort auf der anderen Flussseite, und eine Musketenkugel riss ein Loch in Sharpes Mantel, während eine weitere den Tau vom Gras zu seinen Füßen fegte. Doch dann war er vom Hügel herunter und den Blicken der Schützen verborgen.
In Fort Joseph feuerte kein Geschütz. Die Garnison war vollkommen überrascht worden. Inzwischen waren Rotröcke mitten im Fort zu sehen, und panische Franzosen rannten aus dem Osttor und zur Brücke, die sie über den Fluss und in die Sicherheit von Fort Josephine auf der spanischen Seite bringen würde. Das Musketenfeuer ebbte ab. Vielleicht ein Dutzend Franzosen waren gefangen genommen worden, der Rest auf der Flucht, und noch viel mehr schienen auf die Brücke zuzulaufen. Die Rotröcke brüllten ihre Kriegsschreie in die Morgendämmerung und schwenkten die Bajonette, was die wilde Flucht nur noch beflügelte. Die französische Trikolore wurde bereits eingeholt, bevor die letzten Briten den Graben überquert und die Mauer erklommen hatten. Alles war sehr schnell gegangen.
»Unsere Arbeit ist getan«, erklärte Sharpe. »Runter zum Fort.«
»Das war ja leicht«, bemerkte Jack Bullen glücklich.
»Es ist noch nicht vorbei, Jack.«
»Meinen Sie die Brücke?«
»Die muss noch zerstört werden.«
»Aber das Schwierigste haben wir hinter uns.«
»Das
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