Sharpes Zorn (German Edition)
Sharpe. »Verstehen Sie nicht, Sir? Da drüben liegt ein ganzes französisches Regiment, das Achte. Da gibt es nicht nur eine Garnison, sondern ein ganzes, kampfbereites Regiment. Oh, mein Gott!« Letzteres galt zwei Frauen, die sich von den anderen gelöst hatten und nun auf Spanisch auf ihn einredeten. Bullen beruhigte sie mit einem Lächeln. »Sie sagen, sie seien Spanierinnen, Sir«, erklärte er Sharpe, »und sie wollen nicht in das andere Fort gebracht werden.«
»Wenn sie Spanierinnen sind, was haben sie dann überhaupt hier gemacht?«
Nun wandten sich die beiden Frauen an Sharpe. Sie redeten gleichzeitig, bedrängten ihn, und er glaubte zu verstehen, dass sie Gefangene der Franzosen waren, die man gezwungen hatte, mit jeweils einem Soldaten zusammenzuleben. Das könnte durchaus stimmen, dachte er. »Und wo wollt ihr jetzt hin?«, fragte er sie in schlechtem Spanisch.
Wieder redeten die beiden gleichzeitig, deuteten über den Fluss nach Süden und behaupteten, dass sie von dort gekommen seien. Sharpe brachte sie zum Schweigen und wandte sich dann seinem Lieutenant zu. »Sie können gehen, wohin sie wollen, Jack. Mir egal.«
Das Tor des Forts wurde geöffnet. Bullen führte die Kolonne hindurch, wobei er die Arme hob, um den Franzosen jenseits des Flusses zu zeigen, dass er keine bösen Absichten hatte. Die Frauen folgten ihm. Der Weg zum Fluss hinunter war steinig und unwegsam, und die Frauen kamen nur langsam voran, doch schließlich erreichten sie die Holzplanken, die über die Pontons führten. Sharpe und seine Männer bildeten die Nachhut. Harper, der seine siebenläufige Flinte neben dem Gewehr trug, nickte in Richtung des anderen Ufers. »Da ist das Empfangskomitee, Sir«, sagte er und meinte damit drei berittene französische Offiziere, die gerade aus Fort Josephine gekommen waren. Sie warteten und beobachteten aufmerksam die näher kommenden Frauen und Soldaten.
Ein Dutzend von Sharpes Männern zog und schob den Karren. Lieutenant Sturridge, der Pionier, begleitete sie. Immer wieder zuckte er unwillkürlich zusammen, weil der Karren eine krumme Achse hatte und ständig nach links zog. Erst als sie auf der Brücke waren, ging es schneller voran. Allerdings waren die Frauen nervös, denn die behelfsmäßige Brücke bebte unter ihren Schritten, und deutlich spürten sie den Druck der Strömung an den Pontons. Abgestorbene Äste und anderes Treibgut hatten sich an der stromaufwärts gelegenen Seite verfangenen und erhöhten den Druck noch. Jeder einzelne der großen Kähne, die als Pontons dienten, wurde von zwei dicken Ankerketten festgehalten. Sharpe hoffte nur, dass fünf Fässer nasses Pulver reichten, um die massive Konstruktion zu zerstören.
»Denken Sie, was ich auch denke?«, fragte Harper.
»Porto?«
»All die armen Kerle«, sagte Harper und erinnerte sich an den furchtbaren Augenblick, da die Pontonbrücke über den Duero gerissen war. Die Brücke war voller Menschen gewesen, die vor den vorrückenden Franzosen geflohen waren, und Hunderte von ihnen waren ertrunken. In seinen Träumen sah Sharpe noch immer die Gesichter der Kinder.
Die drei französischen Offiziere ritten zur Brücke hinunter. Dort warteten sie wieder. Sharpe eilte an den Frauen vor bei. »Jack!«, rief er nach Bullen. »Ich brauche Sie als Dolmetscher!«
Sharpe und Bullen gingen zum spanischen Ufer voraus. Die Frauen folgten ihnen zögernd. Als Sharpe näher kam, nahm einer der französischen Offiziere zum Gruß den Hut ab. »Mein Name ist Lecroix«, stellte er sich auf Englisch vor. Lecroix war noch recht jung. Er trug eine exquisite Uniform. Sein gut aussehendes Gesicht war schmal und sein Gebiss ungewöhnlich weiß. »Capitaine Lecroix vom Achten Regiment«, fügte er hinzu.
»Captain Sharpe.«
Lecroix’ Augen weiteten sich ein wenig, vielleicht weil Sharpe nicht wie ein Offizier aussah. Seine Uniform war zerrissen und verschmutzt, und er trug zwar einen Säbel, wie es für Offiziere üblich war, doch dabei handelte es sich um die Waffe eines Kavalleristen, deren schwere, unhandliche Klinge eher für einen Schlachter geeignet war. Außerdem hatte er noch ein Gewehr dabei, und Offiziere trugen für gewöhnlich keine Langwaffen. Dann war da sein Gesicht, braungebrannt und voller Narben, ein Gesicht, wie man es eher in einer finsteren Gasse und nicht in einem Salon erwartete. Es war ein Furcht erregendes Gesicht, und Lecroix, an sich kein Feigling, wäre fast vor der Feindseligkeit in Sharpes Augen zurückgezuckt.
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