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Sharras Exil - 17

Sharras Exil - 17

Titel: Sharras Exil - 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Labyrinth der Comyn-Burg überhaupt nicht mehr zurechtfand.
Wir beide, verloren gegangen in dem Irrgarten, den unsere Vorfahren für uns gebaut hatten …
Aber Callina schritt sicher hindurch. Sie brachte mich an eine Tür, hinter der Treppen nach oben und immer weiter nach oben führten, und schließlich durch eine verborgene Tür. Eng beieinander blieben wir stehen, und langsam begann der Schacht sich zu erheben.
Dieser Turm - so wird erzählt - wurde für die erste der Comyn-Bewahrerinnen gebaut, als Thendara noch nicht mehr als ein Dorf aus Zweighütten war, die sich im Lee des ersten aller Türme duckten. Er reichte weit, weit in unsere Vergangenheit zurück, bis zu der Zeit, als die Väter der Comyn sich mit Chieri paarten und seltsame, nichtmenschliche Kräfte in unsere Linie hineinbrachten. Götter schritten zwischen den Menschenkindern über das Angesicht der Welt, Hastur, der Sohn Aldones’, der der Sohn des Lichts ist … Ich ermahnte mich, nicht abergläubisch zu sein. Dieser Turm war in der Tat sehr alt, und einige der alten Maschinen aus dem Zeitalter des Chaos überlebten hier, und mehr war nicht daran. Aufzüge, die sich von selbst, ohne eine Antriebskraft, die ich hätte identifizieren können, bewegten, waren in der Terranischen Zone allgemein üblich. Warum sollte der hier mir Angst einjagen? Der Geruch von Jahrhunderten hing zwischen den Mauern, in den Schatten, die zurückglitten, als schwebten wir mit jedem der einander folgenden Stockwerke weiter zurück, bis in das Zeitalter des Chaos und noch weiter … Endlich hielt die Kabine an, und wir standen vor einer kleinen Glasscheibe, die eine Tür war. Blaue Lichter schimmerten dahinter.
Ich sah keine Klinke und keinen Drehknopf, aber Callina streckte die Hand aus, und die Tür öffnete sich. Und wir traten in
- Bläue.
Bläue wie das leuchtende Herz eines Edelsteins, wie die Tiefen eines durchsichtigen Sees, wie die noch größeren Tiefen des Mittagshimmels auf Terra. Bläue um uns, hinter uns, neben uns. Unheimliche Lichter sorgten für so viel Spiegelungen und Brechungen, dass der Raum keine Dimensionen zu haben schien. Er wirkte gleichzeitig unermesslich groß und beängstigend eng, und nirgends gab es einen festen Punkt. Mir schwindelte. Ich spürte unendliche Räume unter mir und über mir, die primitive Furcht des Fallens, aber Callina bewegte sich unbeirrt durch die Bläue.
»Bist du es, Tochter, und mein Sohn?«, fragte eine leise, klare Stimme, wie Winterwasser unter Eis. »Kommt her. Ich warte auf euch.«
Jetzt und erst jetzt konnte ich meine Augen in dem frostigen Tagesschein scharf genug fokussieren, um einen großen, verzierten Glasthron und darauf die blasse Gestalt einer Frau zu erkennen.
Ich hatte mir irgendwie vorgestellt, dass Ashara bei dieser offiziellen Audienz die karminrote Robe einer Bewahrerin tragen würde. Stattdessen war sie mit einem Gewand bekleidet, das das Licht absorbierte und widerspiegelte und sie auf diese Weise fast unsichtbar machte, eine aufrechte, winzige Gestalt, nicht größer als ein Kind von zwölf. Ihre Gesichtszüge waren fast fleischlos rein, ebenso faltenlos wie Callinas, als habe die Hand der Zeit die von ihr eingezeichneten Male selbst wieder ausgelöscht. Die Augen, lang und groß, waren ebenfalls farblos, obwohl sie bei normalerer Beleuchtung hätten blau sein können. Es bestand eine schwache, undefinierbare Ähnlichkeit zwischen der jungen Bewahrerin und der alten, als sei Ashara eine unglaublich alt gewordene Callina oder Callina eine embryonale Ashara, die, obwohl noch nicht alt, den Samen ihrer eigenen durchscheinenden Unsichtbarkeit in sich trug. Allmählich glaubte ich an die Wahrheit der Geschichten, dass sie tatsächlich unsterblich war und hier unverändert wohnte, während die Welten und die Jahrhunderte über sie hinweg und an ihr vorbei gingen.
Sie sagte: »Also du bist zu den Sternen gereist, Lew Alton?«
Es wäre nicht gerecht, zu behaupten, die Stimme sei unfreundlich gewesen. Dafür war sie nicht menschlich genug. Sie klang, als sei die Anstrengung, mit wirklichen, lebendigen Menschen zu sprechen, für Ashara zu viel, als habe unser Kommen den kristallinen Frieden, in dem sie weilte, gestört.
Callina, die daran gewöhnt war - jedenfalls nahm ich das an -, murmelte: »Du siehst alles, Mutter Ashara. Du weißt, was auf uns zukommt.«
Die Spur eines Gefühls huschte über das abgeklärte Gesicht, und sie schien sich zu verfestigen, wirklicher, weniger durchscheinend zu werden.

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