Sharras Exil - 17
einen Weg zu finden, wie er Aldones’ Schwert in die Finger bekommen könnte.«
»Aber keiner von ihnen hatte eine Bewahrerin auf seiner Seite«, erwiderte Ashara. Callina fragte: »Du willst es einen Terraner tun lassen?«
»Keinen, der auf Darkover aufgewachsen ist«, erläuterte Ashara. »Einen Fremden, einen, der nichts über die hier vorhandenen Kräfte weiß. Sein Gehirn wäre gegen sie verschlossen und versiegelt, so dass er nicht einmal merken würde, dass sie vorhanden sind. Unter dem Schutz seiner Unwissenheit könnte er die Abwehr durchbrechen.«
»Großartig!«, rief ich sarkastisch aus. »Ich brauche weiter nichts zu tun, als zu einem dreißig oder vierzig Lichtjahre entfernten Planeten zu reisen und irgendeinen dort lebenden Menschen zu zwingen oder zu überreden, dass er mit mir kommt. Dabei darf ich ihm ja nichts erzählen, damit er nicht erfährt, wovor er Angst haben müsste. Dann finde ich irgendwie eine Möglichkeit, ihn in die Kapelle zu bringen, ohne dass ihm das Gehirn ausgebrannt wird, und hoffe, er wird mir Aldones’ Schwert überreichen, sobald er es in seinem unschuldigen Patschhändchen hält!«
In Asharas farblosen Augen flackerte eine Spur von Verachtung auf, und plötzlich schämte ich mich meiner Ironie.
»Bist du in dem Matrix-Laboratorium hier gewesen? Hast du den Schirm gesehen?«
Ich erinnerte mich, und plötzlich ging mir auf, was für ein Schirm das war: einer der beinahe legendären psychokinetischen Transmitter … ohne Zeitverlust durch den Raum, vielleicht auch durch die Zeit …
»Das ist hunderte von Jahren lang nicht mehr gemacht worden!«
»Ich weiß, was Callina fertig bringt«, sagte Ashara mit ihrem merkwürdigen Lächeln. »Und ich werde bei euch sein…«
Sie stand auf und hielt uns beiden die Hände entgegen. Sie berührte meine; ihre fühlte sich kalt an wie eine Leiche, wie die Oberfläche eines Edelsteins … Ihre Stimme war leise, und für einen Augenblick klang sie fast drohend.
»Callina …«
Callina wich vor der Berührung zurück, und obwohl ihr Gesicht die unerschütterliche Seelenruhe einer Bewahrerin zeigte, schien es mir, dass sie weinte. »Nein!«
»Callina …« Die leise Stimme war unerbittlich. Langsam hoben sich Callinas Hände. Ashara fasste sie, vereinigte sie mit meiner Hand …
Das Zimmer verschwand. Wir trieben in wesenloser Bläue, im unermesslichen Raum. Um uns war Leere wie ein Universum ohne Sterne, die großen, nackten Abgründe des Nichts. In Arilinn hatte ich gelernt, meinen Körper zurückzulassen, in die Überwelt der Realität einzugehen, wo der Körper nicht existiert, wo wir nur als Gedanken leben, die das Nichts zu Formen gestalten. Aber dies war keine Region der Überwelt, die ich jemals kennen gelernt hatte. Ich schwebte körperlos in prickelndem Nebel. Dann entlud sich in der Kluft zwischen den Sternen ein Funke; ein Energieausbruch, ein Lebensstrom sprang auf mich über. Ich fühlte mich als Netzwerk lebendiger Nerven, als Kraftfeld. Ich ballte die Hand, die mir abgeschnitten worden war, spürte jeden Muskel, jede Sehne darin.
Dann bildete sich plötzlich in der Leere ein Gesicht.
Ich kann dies Gesicht nicht beschreiben, obwohl ich jetzt weiß, was es war. Ich sah es insgesamt dreimal. Es gibt keine menschlichen Worte, die ihm gerecht werden. Es war unvorstellbar schön, aber es war über unser Begriffsvermögen hinaus schrecklich. Es war nicht einmal böse, nicht auf die Art, wie die Menschen in diesem Leben das Böse verstehen, dazu war es nicht menschlich genug. Es war … verdammenswert. Nur für einen Sekundenbruchteil brannte es hinter meinen Augen, und doch wusste ich, dass ich geradewegs in die Tore der Hölle hineingeblickt hatte.
Ich kämpfte mich in die Wirklichkeit zurück. Wieder war ich in Asharas blau-eisigem Raum - hatte ich ihn je verlassen? Callinas Hände lagen immer noch in meiner Hand, aber Ashara war verschwunden. Der Glasthron war leer, und als ich ihn ansah, löste sich auch der Thron in dem Spiegelschimmer des Raums auf. War Ashara überhaupt da gewesen? Mich drehte es, ich konnte mich nicht orientieren. Da sank Callina gegen mich, und ich fing sie auf. Das Gefühl, ihren ohnmächtigen Körper in meinen Armen zu halten, weckte mich. Ihre weichen Gewänder, die Haarspitzen, die meine Hand berührten, elektrisierten jeden Nerv in mir. Ich drückte sie an mich, vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter. Sie roch warm und süß. Das war kein Parfüm, kein Duftstoff und kein kosmetisches Mittel, nur der
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