Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Amt das ganze Leben lang zu verwalten. Sie wurden verehrt und beinahe wie Göttinnen behandelt, die abgesondert von allem Menschlichen lebten. Heutzutage wird von einer Bewahrerin Keuschheit nur verlangt, solange sie aktiv ist. Danach kann sie ihren Posten aufgeben und ein Leben führen, wie es ihr gefällt, auch heiraten und Kinder bekommen. Ich hatte immer angenommen, Callina werde ebenso tun. Schließlich war sie das weibliche Oberhaupt der Domäne, und ihre älteste Tochter würde nach ihr Herrscherin von Aillard werden.
    Sie folgte meinen Gedanken und schüttelte den Kopf. Trocken stellte sie fest: »Ich habe niemals den Wunsch gehabt zu heiraten und auch keinen Mann kennen gelernt, der für mich eine Versuchung bedeutet hätte, den Turm zu verlassen. Warum soll ich eine doppelte Bürde tragen? Janna von Arilinn – sie war deine Bewahrerin, nicht wahr? – legte ihr Amt nieder und gebar zwei Söhne. Dann gab sie sie in Pflege und kehrte an ihre Arbeit zurück. Aber ich habe meiner Domäne gut gedient; ich habe Schwestern, Linnell wird bald heiraten, und vermutlich wird sogar Merryl eines Tages eine Frau finden, die ihn haben will. Es besteht keine Notwendigkeit …« Aber sie seufzte beinahe verzweifelt. »Vielleicht würde ich doch heiraten, wenn es eine andere gäbe, die meinen Platz übernehmen könnte … nur Beltran nicht. Gnädige Avarra, nicht Beltran!«
    »Er ist kein Ungeheuer, Callina«, sagte ich. »Tatsächlich sieht er mir sehr ähnlich.«
    Sie wurde so böse, dass ihr die Worte fast in der Kehle stecken blieben. »Also würdest auch du mich mit ihm verheiraten? Mit einem Mann, der eine Armee gegen Thendara führt und meine Verwandten erpressen will, ihm die mächtigste Frau im Rat für seine eigenen Zwecke zu geben? Ja, meinst du denn, ich sei ein Ding , ein Pferd, das auf dem Markt verkauft wird, ein Umschlagtuch, um das man feilschen kann?« Sie hielt inne und erstickte ein Schluchzen, indem sie sich auf die Lippe biss. Ich starrte sie an. Sie war mir so kalt, distanziert und leidenschaftslos vorgekommen, eher eine mechanische Puppe als eine Frau, und jetzt bebte sie vor Heftigkeit wie eine lange nach dem Anschlag immer noch vibrierende Harfe. Zum ersten Mal erfasste ich es: Callina war eine Frau, und sie war schön. Ich hatte sie bisher nie als ganz wirklich betrachtet; sie war immer die unberührbare Bewahrerin gewesen. Jetzt sah ich die Frau, die in der Falle saß und um ihre Freiheit kämpfte. Sie fasste hinaus – nach mir.
    Callina ließ ihr Gesicht in die Hände sinken und weinte. Unter Tränen stammelte sie: »Sie haben es so gedreht, dass es die Domänen in Krieg stürzt, wenn ich Beltran nicht heirate!«
    Ich konnte nicht anders, ich nahm sie in die Arme.
    »Du wirst Beltran nicht heiraten!«, rief ich aus. »Vorher werde ich ihn töten, Verwandte!« Und dann, als ich sie an mich drückte, erkannte ich, was mit uns beiden geschehen war. Nicht der Verwandten hatte ich geschworen, sie zu verteidigen und zu beschützen. Es ging tiefer als das, zurück bis zu den Tagen, als sie die einzige Frau unter den Comyn gewesen war, die meine Rebellion gegen meinen Vater verstand, bis zu dem Tag, als sie darum kämpfte, Marjories Leben zu retten, und meine Qual und Verzweiflung teilte. Sie war im Turm ausgebildet, sie erinnerte mich an die einzigen guten Jahre in meinem ganzen Leben, sie war Heimat und Arilinn und die Zeit, als ich mich glücklich und wirklich gefühlt und mein Leben als wertvoll angesehen hatte, eine Zeit, als ich nicht verdammt gewesen war.
    Sie zitterte vor Furcht an meiner Brust; unbeholfen berührte ich ihre nassen Augen. Da war noch eine größere, schrecklichere Angst hinter ihr.
    Ich murmelte: »Kann Ashara dich nicht schützen? Sie ist Bewahrerin der Comyn. Sie kann es doch nicht zulassen, dass du ihr auf diese Weise entrissen wirst.«
    Wir standen in engem Rapport, ich fühlte ihren Zorn, ihre Angst, ihren verletzten Stolz. Nun kam Entsetzen hinzu. Sie flüsterte, und ihre Stimme war nur ein Hauch, als fürchte sie, man könne sie hören: »Oh, Lew, du weißt es nicht – ich habe Angst vor Ashara, so Angst … ich würde lieber Beltran heiraten, ich würde sogar ihn heiraten, um frei von ihr zu werden …« Ihre Stimme brach. Verzweifelt, von Panik erfasst klammerte sie sich an mich, und ich hielt sie fest.
    »Fürchte dich nicht«, sagte ich leise und empfand die erschütternde Zärtlichkeit, die ich in mir erstorben geglaubt hatte. Verbrannt und geschändet, wie ich

Weitere Kostenlose Bücher