Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht
gesagt.
Sie hatte sie deshalb in ihr Schlafzimmer gebracht und versucht, sie zu beruhigen. Sie war sehr aufgeregt und zitterte am ganzen Leibe, aber machte keinen neuen Versuch, nach unten zu gehen. Sie saß in ihrem Morgenmantel am Feuer und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Mrs. Allen blieb den größten Teil der Nacht bei ihr. Vom Rest der Dienerschaft konnte sie sagen, daß sie alle zu Bett gegangen waren und erst das Kommen der Polizei sie aufgescheucht hatte. Sie schliefen alle am äußersten Ende des Hauses und konnten unmöglich etwas gehört haben.
Soweit die Haushälterin, die auch beim Kreuzverhör dem nichts hinzufügen konnte, außer Ausdrücke des Klagens, Staunens und Nichtverstehens.
Nach Mrs. Allen wurde Cecil Barker als nächster Zeuge vernommen. Was die Ereignisse der letzten
Nacht betraf, hatte er dem, was er bereits der Polizei gesagt hatte, wenig mehr hinzuzufügen. Persönlich war er überzeugt, daß der Mörder durch das Fenster entkommen war. Der Blutfleck war seiner Meinung nach ein direktes Indiz dafür. Außerdem war ja die Brücke hochgezogen, und einen anderen Fluchtweg gab es nicht. Er konnte sich auch nicht erklären, was aus dem Mörder geworden war oder weshalb er sein Fahrrad nicht mitgenommen hatte, falls es wirklich das seine war. Er konnte unmöglich im Burggraben ertrunken sein, denn an keiner Stelle war das Wasser tiefer als ein Meter.
Er hatte sich eine ganz bestimmte Theorie über den Mord gebildet. Douglas war ein zurückhaltender Mann, und es gab Kapitel in seinem Leben, über die er niemals sprach. Als sehr junger Mann war er von Irland nach Amerika ausgewandert. Er war recht wohlhabend geworden, und Barker hatte ihn zuerst in Kalifornien getroffen. Dort waren sie Partner geworden und betrieben recht erfolgreich eine Mine an einem Ort, der sich Benito Canon nannte. Alles lief sehr gut, bis Douglas plötzlich seinen Anteil verkaufte und sich auf den Weg nach England machte. Damals war er Witwer. Barker hatte später seinen Anteil ebenfalls zu Geld gemacht, um sich in London niederzulassen. So waren sie wieder dicht
beieinander und erneuerten ihre Freundschaft.
Douglas habe immer auf ihn den Eindruck gemacht, als fühle er sich bedroht, und er, Barker habe schon einen gewissen Zusammenhang gesehen zwischen seiner plötzlichen Abreise aus Kalifornien, dem
Sichniederlassen an einem so stillen Ort in England und dieser Gefahr. Er sei zu der Annahme gelangt, daß irgendeine Geheimgesellschaft, eine unerbittliche Organisation, Douglas auf den Fersen war und nicht eher Ruhe gab, bis sie ihn umgebracht hatte. Douglas selbst habe ihn durch ein paar Bemerkungen auf diesen Gedanken gebracht, obwohl er ihm natürlich nicht verraten habe, um was für eine Gesellschaft es sichhandelte und warum er in Ungnade gefallen sei. Barker konnte deshalb auch nur annehmen, daß die Inschrift auf der Karte mit dieser Geheimgesellschaft zusammenhing.
»Wie lange waren Sie mit Douglas in Kalifornien zusammen?« fragte Inspektor MacDonald.
»Fünf Jahre.«
»Er war Junggeselle, sagten Sie?«
»Witwer.«
»Haben Sie je gehört, woher seine erste Frau stammte?«
»Nein, ich erinnere mich nur, daß er sagte, sie sei deutscher Herkunft gewesen. Und ich habe ihr Bild gesehen. Sie war eine sehr schöne Frau. Sie starb an Typhus, ein Jahr bevor ich ihm begegnet bin.«
»Können Sie seine Vergangenheit mit einem bestimmten Ort in Amerika in Verbindung bringen?«
»Ich habe ihn von Chicago reden hören. Er kannte diese Stadt gut und hat dort auch gearbeitet. Auch von den Kohlen- und Eisendistrikten hat er gesprochen. Er muß seinerzeit ziemlich viel herumgekommen
sein.«
»Hat er sich für Politik interessiert? Hatte diese Geheimgesellschaft vielleicht etwas mit Politik zu tun?«
»Nein, Politik interessierte ihn überhaupt nicht.«
»Sie haben keinen Grund anzunehmen, daß es eine kriminelle Vereinigung war?«
»Im Gegenteil, ich habe nie im Leben einen gradlinigeren Menschen getroffen.«
»War irgend etwas auffällig an seiner Lebensweise in Kalifornien?«
»Am liebsten lebte und arbeitete er auf unserer Mine in den Bergen. Er mied die Gesellschaft anderer Menschen, so gut er konnte. Darum habe ich auch von Anfang an geglaubt, daß jemand hinter ihm her war. Als er dann so plötzlich aufbrach und nach Europa ging, hatte ich verläßlichen Grund zu dieser Annahme. Er muß eine Warnung erhalten haben. Etwa eine Woche nach seiner Abreise kam nämlich ein
halbes Dutzend Männer
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