Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht
mir, daß ich nichts tun könne.
Dann hat mich Mrs. Allen, die Haushälterin, wieder hinaufgebracht. Es war alles wie ein schrecklicher Traum.«
»Können Sie uns ungefähr sagen, wie lange Ihr Mann unten gewesen war, bis der Schuß fiel?«
»Nein, das kann ich nicht sagen. Er ging nämlich von seinem Ankleideraum aus hinunter, und ich habe ihn nicht fortgehen hören. Er machte jeden Abend die Runde durch das Haus, denn er war immer etwas besorgt, daß Feuer ausbrechen könnte. Feuer ist auch das einzige, was er meines Wissens fürchtete. Sonst war er überhaupt nicht ängstlich.«
»Das ist gerade der Punkt, zu dem ich kommen wollte, Mrs. Douglas. Sie haben Ihren Mann in England kennengelernt, nicht wahr?«»Ja, wir sind jetzt fünf Jahre verheiratet.«
»Hat er jemals davon gesprochen, daß in Amerika Dinge geschehen sind, die ihn hier in Gefahr bringen konnten?«
Mrs. Douglas dachte ernsthaft nach, bevor sie antwortete: »Ja«, sagte sie schließlich, »ich habe immer gefühlt, daß er in Gefahr war. Er wollte nicht darüber sprechen. Nicht weil er kein Vertrauen zu mir hatte
— zwischen uns herrschte vollkommene Liebe und schönstes Vertrauen—, aber er wollte jede
Beunruhigung von mir fernhalten. Er fürchtete, ich würde mir Sorgen machen, wenn ich es wüßte, und so schwieg er.«
»Wie konnten Sie dann überhaupt davon wissen?«
Mrs. Douglas' Gesicht leuchtete in einem kurzen Lächeln auf. »Kann ein Mann ständig ein Geheimnis mit sich herumtragen, ohne daß eine Frau es merkt? Ich habe es durch viele Kleinigkeiten erfahren. Er wollte über einige Episoden seines Lebens in Amerika nicht sprechen. Dann merkte ich es an der Vorsicht, die er ständig walten ließ. Ich merkte es durch gewisse Andeutungen, die er ab und zu fallenließ. Ich merkte es an der Art, wie er unerwartete Fremde ansah. Ich war ganz sicher, daß er machtvolle Feinde hatte und glaubte, daß sie ihm auf den Fersen seien, so daß er ständig vor ihnen auf der Hut sein mußte. Ich war mir jahrelang dessen so bewußt, daß ich ständig in Panik geriet, wenn er später als erwartet nach Hause kam.«
»Darf ich fragen«, sagte Holmes, »was das für Andeutungen waren, die Sie aufmerksam machten?«
»>Das Tal der Furcht<«, antwortete die Dame. »Das war ein Ausdruck, den er benutzte, wenn ich in ihn drang. >Ich bin im Tal der Furcht gewesen. Ich bin auch jetzt noch nicht heraus.< «
»>Kommen wir denn nie aus dem Tal der Furcht heraus?«« habe ich ihn gefragt, wenn er ernster als gewöhnlich schien. >Manch-mal glaube ich nicht mehr daran, daß wir es noch einmal schaffen<, hat er dann geantwortet.«
»Sie haben ihn doch sicher gefragt, was er mit dem >Tal der Furcht< meinte?«
»Das habe ich getan, aber sein Gesicht wurde jedesmal sehr ernst, und er hat den Kopf geschüttelt. >Es ist schlimm genug, daß einer von uns in seinem Schatten gewesen ist<, sagte er. >Gebe Gott, daß sein Schatten nie auf dich fällt!< Er hat von einem wirklichen Tal gesprochen, in dem er gelebt hat und wo ihm Furchtbares widerfahren ist, dessen bin ich ganz sicher. Aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Und er hat nie Namen genannt?«
»Doch. Vor drei Jahren hatte er einen Jagdunfall und redete im Fieber. Ich erinnere mich, daß es ein bestimmter Name war, der beständig über seine Lippen kam. Mit Zorn und Schrecken sprach er ihn aus.
McGinty war der Name. Meister vom Stuhl McGinty. Ich habe ihn gefragt, als es ihm wieder besser ging, wer dieser Meister vom Stuhl McGinty sei und wessen Meister er wäre. >Niemals mein Meister!< antwortete er und lachte. Und mehr konnte ich aus ihm nicht herausbekommen. Aber da muß ein
Zusammenhang sein zwischen dem Meister vom Stuhl McGinty und dem Tal der Furcht.«
»Da ist noch ein anderer Punkt«, sagte Inspektor MacDonald. »Sie lernten Mr. Douglas in einer Pension in London kennen und verlobten sich dort mit ihm, nicht wahr? War an der Hochzeit irgend etwas
Besonderes? Gab es großen Aufwand oder Heimlichkeit oder irgend etwas Mysteriöses?«
»Es gab Aufwand, und es war märchenhaft romantisch. So ist es doch immer, wenn man heiratet. Aber da war gar nichts Mysteriöses.«
»Hatte er einen Rivalen?«
»Nein, ich war ganz frei.«
»Sie haben sicher gehört, daß man ihm seinen Ehering weggenommen hat. Bringt Sie das auf einen
Gedanken? Nehmen wir einmal an, daß ein Feind aus seinem alten Leben ihn hier aufspürte und das
Verbrechen begangen hat. Was für einen Grund konnte er haben, ihm den Ehering
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