Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
Wohnheim absichtlich überfahren. Die Untersuchung von Exkrementen erlaubt Sherlock Holmes den Schluss, dass sich ein Mensch vor dem Begehen der Morde in einen japanischen Kleinwagen verwandelt. Diese Deduktion schließt mit einer unübersetzbaren Pointe, die auf dem weltberühmten Satz „Elementary, my dear Watson“ fußt: „Alimentary, my were-Datsun“ (etwa: „aus Ihrer Verdauung, mein lieber Wer-Datsun“).
Ein statistisch durchaus erfassbarer Zweig der Sherlock-Holmes-Adaptionen führt den Meisterdetektiv mit literarischen Gestalten zusammen und damit oft ebenfalls ins Reich der Phantastik. So verpflanzt Nicholas Meyer den Meister in SH und das Phantom der Oper buchstäblich in Gaston Leroux’ Roman hinein. Er erzählt ihn noch einmal, jedoch mit Sherlock Holmes, der im Original sowieso irgendwie zu fehlen scheint.
Als fruchtbarster lost case dürfte sich der Riesenratte von Sumatra aus The Sussex Vampire erwiesen haben, dessen sich zunächst Rick Boyer 1976 (dt. 1979), dann Jörg Kastner (1997), Alan Vanneman (2002) und zuletzt Gilbert Adair annahmen. Während Adairs zurückhaltend realistisch geplottete Geschichte integraler Bestandteil des parodistischem Kriminalromans And then there was no one ( Und dann gab’s keinen mehr. Evadne Mounts dritter Fall , dt. u. engl. 2009) dem Geist der kanonischen Geschichten am Nächsten kommt, zeichnet die drei vorausgegangenen Werke – ausnahmslos Romane – eine wachsende Phantastizität aus. Bei Boyer, dem konventionellsten der Drei, ist die Riesenratte ein im Grunde harmloser Tapir, den ein skrupelloser Dompteur zur Verbreitung von Angst und Schrecken abrichtet und missbraucht. Jörg Kastners Nachfolger ist bereits ein Mutant, der obendrein ansteckende Krankheiten verbreitet. Bei Vannemans Riesenratten schließlich handelt es um eine intelligente Tierrasse, die vor Jahrhunderten von weisen Chinesen gezüchtet wurde, sprechen kann und als hoch organisierte Piratenbande in Ostasien ihr Unwesen treibt.
Bram Stoker stattete Van Helsing, den Protagonisten seines Romans Dracula (1897) unübersehbar mit Holmes’schen Zügen aus. So war es nicht mehr als konsequent, wenn Stoker in Nicholas Meyers The West End Horror (1976, dt. Der Mann des Schreckens , 1979) unter Mordverdacht gerät, und wenn Loren D. Estleman den Meister in Sherlock Holmes vs. Dracula (1978) – das dem deutschen Leser allerdings bislang leider vorenthalten blieb – gleich selber auf die Jagd nach dem Vampirfürsten schickt.
Holmes verbrachte bekanntlich einen Teil des sogenannten „Großen Hiatus“ nach dem Sturz in die Reichenbach-Fälle im Himalaya. Jamyang Norbu erklärt in The Mandala of Sherlock Holmes/Sherlock Holmes – The Missing Years (1999, dt. Das Mandala des Dalai Lama , 2005), was er dort getan hat. Professor Moriarty ersteht in diesem etwas schrägen Roman als Weiser und Zauberer wieder auf, der sich über die Grenzen der Naturgesetze hinwegsetzen kann.
In Geoffrey Landis’ Kurzgeschichte Die einzigartigen Verhaltensmuster der Wespen aus der von Roman Sander herausgegebenen Anthologie Holmes und der Kannibale (2005), kommt Sherlock Holmes 1888
einem achtbeinigen Außerirdischen auf die Spur, der Prostituierte als Wirtskörper zur Ablage seiner sich parasitär entwickelnden Eier missbraucht. Um die Geburt der Monster zu verhindern, muss der Meisterdetektiv in die Rolle des Jack the Ripper schlüpfen. In den meisten der achtzehn Geschichten der Anthologie Shadow over Baker Street (2003, dt. Schatten über Baker Street. Auf Mörderjagd in den Welt Lovecrafts Welten (2005) gelingt es Sherlock Holmes, das Eindringen Cthulhus und seiner Mit-Monster in unsere Welt im letzten Moment zu verhindern. Manchmal jedoch, wie in Eine Studie in Smaragdgrün von Neil Gaiman (S. 13-41), ist die Herrschaft der Ungeheuer von jenseits der Zeit Wirklichkeit geworden, und Sherlock Holmes hat sich mit ihnen arrangiert.
Diese Anthologie diente unter anderem dem Verfasser dieser Zeilen als Inspirationsquelle für den Roman Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu (2008), in dem Professor Moriarty wieder einmal, jedoch als Krüppel, den Absturz in die Reichenbachfälle überlebt hat. Conan Doyle beschreibt ihn als genialen Mathematiker und Verfasser des astrophysikalischen Buches „Die Bewegung eines Asteroiden.“ Mit der Rückwendung zur Naturwissenschaft versucht Moriarty, seine körperlichen Gebrechen einigermaßen zu überwinden. Er forscht nach einem Elixier, das seinen zerschmetterten Knochen
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