Sherlock Holmes - Der Hund von Baskerville
würden. Wenn Sir Henry das Telegramm aus London den Stapletons gegenüber erwähnte, sollte es dessen letzten Argwohn auslöschen. Das Netz schien sich dichter um unseren Hecht
zusammenzuziehen.
Wir trafen Mrs. Laura Lyons in ihrem Büro an. Sherlock Holmes eröffnete das Gespräch mit einer
Offenheit und Direktheit, die sie erstaunte.
»Ich untersuche die Umstände, die zum Tode von Sir Charles Baskerville geführt haben«, sagte er. »Mein Freund, Dr. Watson, hat mir berichtet, was sie bereits ausgesagt haben, und auch, was Sie verschwiegen haben.«
»Was habe ich verschwiegen?« fragte sie abweisend.
»Sie haben zugegeben, daß Sie Sir Charles gebeten haben, Sie um zehn Uhr an der Moorpforte zu treffen.
Wir wissen, daß er um diese Stunde und an diesem Ort den Tod fand. Sie haben uns verschwiegen,
welche Verbindung es zwischen diesen beiden Ereignissen gibt.«
»Da gibt es keine Verbindung.«
»In diesem Fall muß es sich bei dem Zusammentreffen der Ereignisse wirklich um einen
außergewöhnlichen Zufall handeln. Aber ich denke doch, daß es uns gelingen sollte, eine Verbindung herzustellen. Ich möchte ganz offen mit Ihnen sein, Mrs. Lyons. Unserer Ansicht nach handelt es sich hier um Mord, und die Anschuldigung könnte nicht nur ihren Freund, Mr. Stapleton, sondern auch seine Frau treffen.« Die Dame sprang von ihrem Stuhl auf.
»Seine Frau?« rief sie.
»Diese Ehe ist kein Geheimnis mehr. Die Dame, die als seine Schwester galt, ist in Wirklichkeit seine Frau.«
Mrs. Lyons hatte sich wieder hingesetzt. Ihre Hände umkrampften die Armlehnen ihres Sessels, und ich sah, wie ihre rosigen Fingernägel von dem Druck weiß wurden.
»Seine Frau?« sagte sie noch einmal. »Seine Frau? Er ist nicht verheiratet.«Sherlock Holmes zuckte die Achseln.
»Beweisen Sie es mir! Beweisen Sie es! Und wenn Sie das können...!« Das aufglühende Feuer in ihren Augen sprach mehr als Worte.
»Ich bin hergekommen, um Ihnen das zu beweisen«, sagte Holmes und zog mehrere Papiere aus seiner Tasche. »Hier ist eine Photographie des Paares, aufgenommen vor vier Jahren in York. Auf der Rückseite steht >Mr. und Mrs. Vandeleur<, aber Sie werden keine Schwierigkeit haben, ihn wiederzuerkennen und sie auch, wenn sie Ihnen vom Ansehen bekannt ist. Und hier ist die Niederschrift dreier
vertrauenswürdiger Zeugen, die Mr. und Mrs. Vandeleur zu der Zeit gekannt haben, als sie die
Privatschule St. Oliver leiteten. Lesen Sie, prüfen Sie und sagen Sie mir dann, ob es noch einen Zweifel an der Identität gibt.«
Sie sah die Dokumente durch und blickte uns dann mit dem unbewegten Gesicht eines Menschen an, dem plötzlich alle Hoffnung genommen ist.
»Mr. Holmes«, sagte sie, »dieser Mann hat mir die Heirat versprochen unter der Bedingung, daß ich die Scheidung von meinem Mann erlangen könnte. Er hat mich belogen, dieser Verbrecher, auf jede nur erdenkliche Weise. Kein wahres Wort ist je über seine Lippen gekommen. Und warum? Warum? Ich habe mir eingebildet, daß alles nur zu meinem Besten geschah. Aber jetzt sehe ich ein, daß ich niemals etwas anderes war als ein Werkzeug in seinen Händen. Warum sollte ich ihm die Treue bewahren, die er mir gegenüber nie gehalten hat? Warum sollte ich versuchen, ihn vor den Folgen seiner bösen Taten zu schützen? Fragen Sie, was Sie wollen, ich werde nichts verschweigen. Eines schwöre ich Ihnen: Als ich Sir Charles den Brief schrieb, da habe ich nicht daran gedacht, dem alten Herrn Schaden zuzufügen, der doch stets mein gütigster Freund gewesen war.«
»Davon bin ich völlig überzeugt, gnädige Frau«, sagte Sherlock Holmes. »Es muß für Sie sehr
schmerzlich sein, uns alles zu berichten, was vorgefallen ist. Also ist es für Sie vielleicht einfacher, wenn ich Ihnen sage, was sich abgespielt hat, und Sie können mich berichtigen, wenn ich irgendwo einen Fehler mache. Die Idee, diesen Brief zu schreiben, kam von Stapleton?«
»Er hat ihn diktiert.«
»Ich vermute, als Grund gab er an, Sir Charles würde Ihnen mit einem Darlehen helfen, um die Kosten für Ihre Scheidung zu decken.«
»Ganz recht.«
»Und dann, als Sie den Brief abgeschickt hatten, riet er Ihnen davon ab, die Verabredung einzuhalten?«
»Er sagte, daß es seine Selbstachtung verletze, wenn für etwas, das ihm so am Herzen läge, ein anderer Mann das Geld aufbrächte. Wenn er auch ein armer Mann sei, wolle er doch lieber seinen letzten Pfennig opfern, um die Hindernisse zu beseitigen, die uns trennen.«
»Ein sehr
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