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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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verschlafen. Dort in der ›Goldschenke‹ in der Upper Swandam Street wäre er, meinte sie, sicherlich zu finden. Aber was könnte sie da tun? Wie sollte sie, die junge, ängstliche Frau, in einen solchen Ort eindringen und ihren Gatten aus der Mitte des Gesindels, das sich dort aufhielt, herausholen?
    So lagen die Dinge, und in der Tat gab es nur einen einzigen Ausweg. Ob ich sie nicht dorthin begleiten wollte? Oder – ob es am Ende besser wäre, ich ginge allein? Ich sei ja ihres Mannes ärztlicher Ratgeber und besäße als solcher Einfluss auf ihn. Ich wäre viel unbehinderter in allem. Ich gab ihr mein Wort darauf, ihn binnen zwei Stunden in einem Wagen heimzusenden, vorausgesetzt, dass ich ihn wirklich an dem von ihr bezeichneten Ort fände. Und zehn Minuten später hatte ich auch schon den Lehnstuhl und das behagliche Wohnzimmer im Rücken und fuhr davon in einer Angelegenheit, die mir von vornherein höchst absonderlich vorkam, wenn sich auch erst später herausstellte, wie absonderlich sie in der Tat werden sollte.
    Der erste Teil meiner Expedition ging ohne Schwierigkeit vonstatten. Die obere Swandam Street ist eine hässliche Gasse, die hinter den großen Lagerhäusern steckt, welche sich an der Nordseite der Themse bis östlich der London Bridge hinziehen. Zwischen einer Trödelbude und einer Schnapskneipe führte eine steile Treppe zu einem Loch, finster wie ein Kellerschacht, und damit hatte ich die gesuchte Spelunke gefunden. Ich hieß den Kutscher warten und stieg die Stufen hinab, die von dem unausgesetzten Wandel trunkener Füße in der Mitte stark ausgetreten waren. Beim flackernden Schein einer Öllampe über der Tür fand ich die Klinke und trat in einen langen niedrigen Raum, der von braunem Opiumrauch dick angefüllt und wie das Zwischendeck eines Auswanderungsschiffes mit übereinandergeschichteten hölzernen Pritschen ausgestattet war.
    In all dem Qualm vermochte man kaum die Gestalten zu erkennen, die in sonderbar fantastischen Stellungen umherlagen, mit eingezogenen Achseln, gekrümmten Knien, zurückgeworfenem Kopf und aufwärts gekehrtem Kinn. Ab und zu richtete sich ein dunkles, glanzloses Auge auf den Ankömmling. Aus den düsteren Schatten glommen kleine rote Lichtstreifen auf, bald heller, bald matter, je nachdem ob das brennende Gift in den Köpfen der Metallpfeifen zu- oder abnahm. Die meisten der Leute lagen stumm da; doch murmelten einzelne vor sich hin, während andere wieder mit seltsam leiser, eintöniger Stimme sich miteinander unterhielten, die Sätze heftig hervorstoßend, um dann plötzlich in Schweigen zu versinken; jeder spann an seinen eigenen Gedanken weiter, ohne sich viel an das Gerede des Nachbarn zu kehren. Am anderen Ende des Raumes stand ein kleines Becken mit glühenden Kohlen, neben dem ein hagerer alter Mann auf einem dreibeinigen Stuhl saß. Er hatte das Kinn auf die Fäuste und die Ellenbogen auf die Knie gestützt und blickte starr in die Glut.
    Bei meinem Eintritt sprang ein schmutziger Malaie mit einer Pfeife und einem Quantum Opium auf mich zu und wollte mir eine leere Lagerstelle anweisen.
    »Ich danke Ihnen, meine Absicht ist nicht zu bleiben«, sagte ich. »Ein Freund von mir, Mr Isa Whitney, befindet sich hier, und diesen wünsche ich zu sprechen.«
    Bei diesen Worten bewegte sich etwas zu meiner Rechten, und ich vernahm einen Ausruf. Ich sah hin und erkannte in dem Dunst Whitney, der blass und verstört mit wirren Haaren dasaß und mich anstierte.
    »Mein Gott, Sie sind’s, Watson!«, sagte er.
    Er war in einem kläglichen Zustand der Nachwirkung des Giftes, und jeder Nerv an ihm zitterte.
    »Wie viel Uhr ist es denn, Watson?«
    »Bald elf.«
    »Und welchen Tag haben wir?«
    »Freitag, den 19. Juni.«
    »Gerechter Gott! Ich glaubte, es sei Mittwoch. Und es ist auch Mittwoch. Wie können Sie einen armen Kerl nur so erschrecken?« Mit diesen Worten begrub er sein Gesicht in den Händen und begann laut zu schluchzen.
    »Ich versichere Ihnen, dass es wirklich Freitag ist, Sie Mann des Jammers. Ihre Frau wartet nun seit zwei Tagen auf Sie. Sie sollten sich vor sich selber schämen!«
    »Das tue ich auch. Aber Sie täuschen sich, Watson, denn ich bin erst seit ein paar Stunden hier, drei, vier Pfeifen etwa – ich weiß nicht mehr, wie viele. Doch ich will mit Ihnen nach Hause gehen, denn ich möchte Kate, mein armes, liebes Kätchen, nicht ängstigen. Geben Sie mir Ihre Hand! Haben Sie einen Wagen hier?«
    »Ja, er wartet draußen.«
    »Dann will ich

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