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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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tragischer, einige auch von komischer Art, sodann weiter eine große Anzahl solcher, die sich eben einfach als merkwürdig bezeichnen lassen, dagegen keinen einzigen alltäglichen; denn da Holmes sich bei seiner Tätigkeit weit mehr von der Liebe zu seinem Beruf als von dem Streben nach Erwerb bestimmen ließ, lehnte er seine Mitwirkung stets ab, wenn die Nachforschungen sich nicht auf einen ungewöhnlichen oder geradezu rätselhaften Vorgang richteten. Unter all diesen verschiedenartigen Fällen wüsste ich mich jedoch keines zu entsinnen, der eine gleiche Fülle merkwürdiger Züge dargeboten hätte wie der, welcher in der bekannten Familie der Roylotts von Stoke Moran in Surrey spielte. Die betreffenden Vorkommnisse fielen in die erste Zeit meiner Verbindung mit Holmes, in die Tage unseres gemeinsamen Junggesellenlebens in der Baker Street. Ich würde dieselben vielleicht früher schon veröffentlicht haben, wäre mir nicht Stillschweigen darüber auferlegt gewesen – eine Pflicht, von der mich erst im vergangenen Monat der vorzeitige Tod der Dame, in deren Interesse jenes Versprechen gegeben worden war, entbunden hat. Vielleicht ist es ganz zweckmäßig, dass der wahre Sachverhalt jetzt ans Licht kommt, denn wie ich aus guter Quelle erfahre, haben sich über den Tod des Dr. Grimesby Roylott in weiten Kreisen Gerüchte verbreitet, welche jene Ereignisse noch grässlicher ausmalen, als sie in Wirklichkeit sind.
    Es war im Jahr 1883 Anfang des April, als ich eines Morgens beim Erwachen Holmes vollständig angekleidet an meinem Bett erblickte. Er stand gewöhnlich spät auf, und da die Uhr auf dem Kaminsims erst ein Viertel nach sieben zeigte, blinzelte ich ihn einigermaßen überrascht, vielleicht sogar etwas ärgerlich an, denn ich ließ mich selbst nicht gerne in meinen Gewohnheiten stören.
    »Tut mir sehr leid, dass ich Sie im Schlaf stören muss, Watson«, sagte er, »aber es geht heute Morgen keinem im Haus besser. Die Haushälterin ist zuerst herausgeklopft worden, sie hat mich aufgeweckt, und jetzt kommt die Reihe an Sie.«
    »Was gibt es denn? Brennt es?«
    »Nein, eine Klientin ist da. Es scheint, dass eine junge Dame in höchst erregtem Zustand von auswärts eingetroffen ist, die mich durchaus sprechen will. Sie wartet unten im Empfangszimmer. Wenn sich aber eine junge Dame in solcher Morgenfrühe zur Hauptstadt aufmacht und die Leute aus den Federn treibt, wird sie wohl eine recht dringliche Mitteilung zu machen haben. Einen wirklich interessanten Fall würdest du doch gewiss gern von Anfang an verfolgen. Ich wollte Sie deshalb unter allen Umständen wecken, um Sie der günstigen Gelegenheit nicht zu berauben.«
    »Mein lieber Junge, natürlich möchte ich sie um keinen Preis verpassen.«
    Ich kannte keinen größeren Genuss, als Holmes bei den Untersuchungen, die sein Beruf mit sich brachte, Schritt für Schritt zu begleiten und seine kühnen Schlussfolgerungen zu bewundern, die – blitzschnell, als entstammten sie höherer Eingebung, und doch stets auf streng logischer Grundlage aufgebaut – Licht in das Dunkel der ihm vorgelegten rätselhaften Fälle brachten. Ich warf mich also rasch in die Kleider und war nach wenigen Minuten so weit, um meinem Freund ins Empfangszimmer folgen zu können.
    Eine schwarzgekleidete, dicht verschleierte Dame saß am Fenster und erhob sich bei unserem Eintritt.
    Holmes begrüßte sie freundlich und fuhr, nachdem er sich ihr vorgestellt, auf mich deutend fort: »Dies hier ist mein vertrauter Freund und Kollege Dr. Watson, vor dem Sie Ihre Sache ohne Scheu vorbringen können. – Mrs Hudson hat ja Feuer angemacht, wie ich sehe, das war vernünftig von ihr. Bitte setzen Sie sich nur an den Kamin; ich lasse Ihnen gleich eine Tasse heißen Kaffee bringen, Sie zittern ja ordentlich.«
    »Aber nicht vor Kälte«, antwortete die Dame mit leiser Stimme, indem sie der Aufforderung Folge leistete.
    »Weshalb denn sonst?«
    »Vor Angst, Mr Holmes, vor Schrecken.« Bei diesen Worten schlug sie den Schleier zurück, und wir sahen nun, dass sie sich in der Tat in einem Zustand bedauerlicher Aufregung befand; ihr Gesicht war ganz verzerrt und aschfahl, und sie blickte angstvoll um sich wie ein gehetztes Wild. Ihren Zügen und ihrer Figur nach musste man sie für dreißigjährig halten, allein ihr Haar zeigte bereits Spuren von Grau, und es lag etwas Müdes und Abgezehrtes in ihrer ganzen Erscheinung.
    Holmes musterte sie mit einem seiner allesdurchdringenden Blicke. »Sie müssen

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