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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Seite. Die Öffnung hatte sich wieder hinter mir geschlossen, ich hörte nur noch das Klirren der zerbrechenden Lampe und kurz darauf das Aufschlagen der beiden Metallplatten, das mir deutlich bewies, mit wie knapper Not ich dem Tod entronnen war. Als ich wieder zum Bewusstsein erwachte, lag ich auf dem mit Fliesen ausgelegten Boden eines schmalen Ganges. Eine Frau beugte sich über mich und versuchte, mich durch heftiges Schütteln mit der linken Hand aus meiner Betäubung zu erwecken, mit der rechten hielt sie eine Taschenlampe. Es war jene Frau, deren Warnungen ich törichterweise unbeachtet gelassen hatte.
    ›Kommen Sie rasch, rasch!‹, rief sie atemlos. ›Sie werden sofort Ihr Verschwinden entdecken. Oh, so beeilen Sie sich doch, es ist keine Sekunde zu verlieren.‹
    Diesmal war ihr Rat nicht vergebens. Ich richtete mich taumelnd empor und eilte mit ihr den Gang entlang und dann eine Wendeltreppe hinunter. Die Treppe führte wiederum auf einen breiten Gang. Wir hatten ihn kaum erreicht, als wir schon den Ton von eiligen Schritten und den Klang von zwei Stimmen hörten; die eine sprach dicht in unserer Nähe, die andere antwortete aus der Entfernung. Die Frau stand einen Augenblick völlig fassungslos. Plötzlich stieß sie eine Tür auf; wir standen in einem Schlafzimmer, durch dessen Fenster heller Mondschein flutete.
    ›Es bleibt kein anderer Weg übrig. Es ist hoch, aber Sie müssen es versuchen.‹
    Während sie noch sprach, tauchte am Ende des Ganges ein Licht auf, ich sah die dürre Gestalt des Oberst herbeistürzen, in der Hand hielt er ein großes Beil. Ich flog zum Fenster, öffnete es und schaute hinunter. Wie ruhig und friedlich lag der Garten im Mondlicht! Die Höhe konnte nicht mehr als dreißig Fuß betragen. Ich schwang mich auf das Fensterbrett, aber ich zögerte noch mit dem Sprung. Ich wollte wissen, was zwischen meiner Retterin und meinem Verfolger vorgehen würde. Wenn dieser Schuft sie misshandelte, war ich unter allen Umständen entschlossen, ihr beizustehen. Im selben Augenblick schon erschien er in der Tür und wollte an ihr vorüberstürzen, sie warf sich ihm jedoch entgegen und klammerte sich fest an ihn.
    ›Fritz, Fritz!‹, rief sie in englischer Sprache. ›Vergiss nicht, was du mir beim letzten Mal geschworen hast. Es sollte nie, nie wieder geschehen. Er wird schweigen, glaub mir, er wird schweigen.‹
    Er versuchte sich mit aller Kraft freizumachen. ›Bist du von Sinnen, Elise?‹, rief er. ›Willst du uns an den Galgen bringen? Lass mich los, sag ich dir.‹ Er stieß sie beiseite und stürzte mit erhobenem Beil zum Fenster. Ich hatte mich hinausgeschwungen und hielt mich nur noch mit den Händen an der Fensterbank, als der Schlag niedersauste. Ein heftiger Schmerz durchzuckte mich, ich verlor den Halt und fiel in den Garten hinab.
    Ich war bis auf eine heftige Erschütterung unverletzt geblieben, und sobald ich mich einigermaßen erholt hatte, stand ich auf und versuchte, so schnell wie möglich hinter einem Gebüsch zu verschwinden; die Gefahr war ja noch nicht vorüber. Aber plötzlich überkam mich eine tödliche Schwäche und Mattigkeit. Meine Hand schmerzte mich furchtbar, und ich bemerkte erst jetzt, dass mein Daumen fehlte und das Blut aus der Wunde strömte. Ich versuchte, mir das Taschentuch umzubinden, dann fühlte ich nur noch ein heftiges Sausen in den Ohren und fiel ohnmächtig im Gebüsch nieder.
    Wie lange ich dort gelegen habe, weiß ich nicht. Bis zu meinem Erwachen müssen wohl viele Stunden vergangen sein, denn der Mond war untergegangen, und der Morgen dämmerte herauf. Meine Kleider waren vom Tau durchnässt, und mein Rockärmel war völlig durchtränkt von Blut. Im Augenblick standen alle Einzelheiten der Nacht vor mir, und ich sprang sofort in die Höhe, weil ich das Gefühl hatte, auch jetzt noch im Bereich meiner Verfolger zu sein. Doch als ich mich umblickte, waren zu meinem Erstaunen weder Haus noch Garten zu entdecken. Ich hatte an der Hecke einer Landstraße gelegen, und gerade vor mir dehnte sich ein längliches Gebäude aus. Beim Näherkommen erkannte ich die Bahnstation, an der ich gestern angekommen war. Würde mich mein schmerzender Daumen nicht vom Gegenteil überzeugt haben, so hätte ich alle Vorgänge der letzten Nacht nur für einen Traum gehalten. Halb betäubt erkundigte ich mich nach dem Morgenzug und erfuhr, dass in einer knappen Stunde einer nach Reading abgehe. Ich fragte den diensttuenden Stationsbeamten, den ich schon am

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