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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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dass Blessington gerade abwesend war. Sie wählten die ungewöhnliche Stunde für ihre Besuche offenbar, damit kein anderer Patient im Wartezimmer wäre. Dass dies gerade mit Blessingtons täglichem Ausgang zusammentraf, wussten sie nicht; sie scheinen demnach mit seinen Gewohnheiten wenig vertraut. Wäre es ihnen nur um Beute zu tun gewesen, hätten sie wenigstens den Versuch gemacht, sein Geld zu finden. Es lässt sich einem Menschen unfehlbar am Gesicht absehen, wenn ihm um seine eigene Haut bange ist. Unmöglich kann er sich Feinde gemacht haben, die ihn mit solcher Rachsucht verfolgen, ohne dass er selbst darum weiß. Ich nehme daher als gewiss an, dass er die Männer kennt und seine Gründe hat, es nicht einzugestehen. Indessen ist es möglich, dass wir ihn morgen in einer mitteilsameren Stimmung finden.«
    »Noch eine andere Möglichkeit wäre vorhanden«, sagte ich. »Es ist zwar im höchsten Grade unwahrscheinlich, aber doch denkbar, dass die Begebenheit mit dem starrsüchtigen Russen und dessen Sohn auf bloßer Erfindung beruht und Trevelyan selbst zu irgendwelchem Zweck in Blessingtons Zimmer gewesen ist.«
    Beim Schein der Gaslaterne sah ich, wie belustigt Holmes über meinen glänzenden Einfall lächelte.
    »Auch mir kam gleich zuerst diese Lösung der Angelegenheit in den Sinn, mein Junge«, sagte er. »Aber bald wurde mir die Richtigkeit von des Doktors Angaben klar. Der jüngere Mann hatte so deutliche Fußspuren auf der Treppe zurückgelassen, dass ich gar nicht erst ins Zimmer zu gehen brauchte, um sie dort zu sehen. Seine Schuhe sind vorne breit und nicht spitz wie Blessingtons, auch fast anderthalb Zoll länger als des Doktors Stiefel. Darüber, dass er der Eindringling war, besteht also nicht der leiseste Zweifel, wie du mir zugeben wirst. Wir wollen jetzt die Sache beschlafen; mich würde es sehr wundern, wenn wir nicht morgen früh neue Nachricht aus der Brook Street erhielten.«
    Sherlock Holmes’ Prophezeiung sollte sich bald auf tragische Weise erfüllen. Am nächsten Morgen, gegen halb acht Uhr, als kaum der Tag graute, sah ich ihn im Schlafrock neben meinem Bette stehen.
    »Draußen wartet eine Droschke auf uns, Watson«, sagte er.
    »Was gibt es denn?«
    »Es handelt sich um die Geschichte in der Brook Street.«
    »Ist etwas Neues geschehen?«
    »Allem Anschein nach.« Holmes öffnete den Fensterladen. »Sieh her – ein Blatt aus dem Notizbuch und mit Bleistift darauf gekritzelt: ›Um Gottes willen, kommen Sie schnell! – P. T.‹ Unser Freund, der Doktor, hat das in schrecklicher Aufregung geschrieben. Machen Sie sich fertig, alter Junge, es ist ein dringender Hilferuf.«
    Etwa eine Viertelstunde später waren wir wieder in der Wohnung des Arztes. Er kam uns mit entsetzter Miene entgegengestürzt.
    »Ist das eine Geschichte!«, rief er, sich mit beiden Händen den Kopf haltend.
    »Was gibt’s denn?«
    »Blessington hat sich umgebracht.«
    »Wahrhaftig?«
    »Ja, er hat sich heute Nacht erhängt.«
    Der Doktor ging voran, und wir betraten sein Wartezimmer.
    »Der Schreck ist mir in alle Glieder gefahren; ich weiß kaum mehr, was ich tue«, rief er. »Die Polizei ist schon oben.«
    »Wann haben Sie es entdeckt?«
    »Man bringt ihm jeden Morgen eine Tasse Tee hinauf. Als das Mädchen gegen sieben Uhr ins Zimmer trat, sah sie das Unglück. Er hatte den Strick an den Haken in der Decke gebunden, wo gewöhnlich die große Lampe hängt, und war dann von demselben Koffer heruntergesprungen, den er uns gestern gezeigt hat.«
    Holmes stand tief in Gedanken da.
    »Wenn Sie erlauben«, sagte er endlich, »möchte ich oben den Tatbestand in Augenschein nehmen.«
    Wir stiegen die Treppe hinauf, und der Doktor folgte.
    Als wir ins Schlafzimmer traten, bot sich uns ein grauenhafter Anblick dar. Blessington, der dort am Strick baumelte, sah kaum noch einem Menschen gleich. Sein Hals war stark in die Länge gezogen, wie der eines gerupften Huhns, und im Gegensatz dazu nahm sich der übrige Körper umso aufgeschwemmter und formloser aus. Er war nur mit seinem langen Nachthemd bekleidet, aus dem die geschwollenen Füße und Fußgelenke starr und steif hervorsahen. Neben der Leiche stand ein schneidig aussehender Polizeibeamter, der sich Notizen in sein Taschenbuch machte.
    »Ach, Sie sind’s, Mr Holmes«, sagte er, als mein Freund eintrat, »das freut mich sehr.«
    »Guten Morgen, Lanner«, versetzte Holmes. »Sie werden gewiss nicht glauben, dass ich mich hier unberufen eindrängen will. Wissen Sie

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