Sherry Thomas
Freddie. Das hatte sie gesagt, dann zu Camden
hinübergeschaut und gleich wieder zurück.
Er runzelte die Stirn. Darüber hatte
er noch gar nicht richtig nachgedacht. Wieso bat Gigi Frederick um Verzeihung?
Einmal abgesehen von dem kurzen Augenblick, in dem sie sich vergessen hatte,
war sie ihm gegenüber unabänderlich loyal geblieben. Camden konnte sich nicht
vorstellen, dass sie jemanden von ihren ehelichen Intimitäten erzählte – am
allerwenigsten Lord Frederick.
Ihm wollte einfach keine Erklärung
einfallen. Dann wurde ihm plötzlich fast schwindelig. Das Ganze konnte nur
eines bedeuten: Ihre letzte gemeinsame Nacht hatte Folgen gehabt. Er wurde
Vater. Sie bekamen zusammen ein Kind.
Er musste sich am Bettpfosten
festhalten, als hätte er zu viel Champagner getrunken. Ein Kind, lieber Himmel,
ein Kind! Ein Baby!
Sie hatte seinen Bedingungen nur
zugestimmt, weil sie nie vorhatte, sich tatsächlich schwängern zu lassen. Auf
keinen Fall würde sie jemals ihr erstgeborenes Kind aufgeben, um Lord
Frederick zu heiraten, dafür kannte er sie gut genug. Jetzt würde sie bei
Camden bleiben, und gemeinsam wären sie dann eine Familie. Und da sie kaum die
Finger voneinander zu lassen vermochten, bestanden beste Aussichten auf
weiteren Nachwuchs.
Camden begriff es gar nicht richtig.
Die absurdesten sentimentalen Bilder stiegen in ihm auf. Seine eigene Familie,
lauter starrköpfige freche Gören mit leuchtenden Augen und verschmitztem
Lächeln. Welpen, die durchs Haus liefen. Dralle kleine Ärmchen, die sich ihm
entgegenstreckten. Und schließlich sie, der majestätische, ruhige Mittelpunkt.
Das war alles, was er vom Leben
wollte. Was er sich je gewünscht hatte. Er zog den von der Reise verknitterten
Mantel aus, warf den Koffer auf und suchte nach einem anderen. Eine leise
Stimme in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass bei der Sache aber dennoch etwas
nicht ganz stimmte. Dass es ihm nicht reichte, wenn sie ihn deshalb nahm, weil
etwas schiefgegangen war mit ihrem Plan. Doch nein, das kümmerte ihn nicht. Vor
ihm lag eine leuchtende Zukunft, und die plötzlichen Möglichkeiten, die sich
vor ihm auftaten, machten ihn schwindelig.
Goodman kam mit einem Stapel Post
herein und ging dann mit dem Mantel hinaus, den Camden herausgesucht hatte, um
ihn bügeln zu lassen. Während Camden ungeduldig darauf wartete, dass der
Butler damit zurückkam, schaute er die Briefe durch.
Einer stammte von Theodora.
Ironischerweise schrieb sie ihm immer noch sehr regelmäßig.
Eilig überflog er die Zeilen. Ihr
ginge es gut. Den Zwillingen ebenfalls. Der Winter in Buenos Aires sei immer
noch mild und schwül. Sie überlegte, ob sie nun, da ihr Gatte nicht mehr lebte,
mit den Kindern nach Europa zurückkehren sollte. Außerdem hatte sie vor, im
Spätsommer nach New York zu kommen, und wäre entzückt, falls er sie dann
besuchte. Sie hätte ihn sehr vermisst während der beiden letzten Jahre.
Kurz nachdem Theodora ihren
Großfürsten geheiratet hatte, waren sie nach Buenos Aires gezogen, weil das
milde Klima seiner Gesundheit guttat. In den südamerikanischen Wintermonaten –
Juni, Juli, August – reiste sie oft nach Newport, wo sie ein Haus besaß.
Meistens hatte Camden zu viel mit seinen Werften zu tun, um lange in die
Sommerfrische zu fahren. Manchmal allerdings segelte er nach Newport und nahm
dort an einigen Gesellschaften teil, besuchte Theodora und brachte Geschenke
für Masha und Sasha mit.
Er freute sich darauf, sie und die
Zwillinge wiederzuse hen. Allerdings würde es in diesem Sommer nicht zu einem
Treffen mit ihnen kommen. Etwas ganz Wunderbares und Wichtiges würde ihn in
Europa festhalten. Das Wunder der Vaterschaft.
Goodman kam herein. Schnell
schlüpfte Camden in den frisch gebügelten Gehrock und band die Krawatte. Nach
einer Minute ungefähr fiel ihm auf, dass der Butler noch immer im Zimmer stand
und darauf wartete, dass Camden ihn ansprach.
»Was gibt's, Goodman?«, fragte
Camden.
»Ihre Ladyschaft wird heute daheim
dinieren. Werden Seine Lordschaft ihr dabei Gesellschaft leisten?«
Erstaunt sah Camden den Mann an. Die
Stimme des Butlers klang irgendwie anders ... fast freundlich. Wo war die
diskrete Ablehnung geblieben, mit der der Majordomus ihn sonst um seiner
Herrin willen bedacht hatte?
»Ja, Goodman, das werde ich.«
Er war endlich angekommen. Und er
würde nie wieder weggehen.
Sie hörte nicht, wie er den hinteren
Salon betrat, in dem sie entspannt auf der Chaiselongue lag in einem Kleid, so
blau wie
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