Shining
jemand, der ausreichend qualifiziert war, die hohe Kunst des Schreibens zu lehren. Er hatte schon zwei Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht. Er arbeitete an einem Stück. Und irgendwo im Hinterstübchen meinte er schon, einen kompletten Roman auszuhecken. Jetzt aber produzierte er nichts, und sein Unterricht wurde immer zerfahrener.
Schließlich war das zu Ende gewesen. Es geschah eines Nachts, knapp einen Monat, nachdem er seinem Sohn den Arm gebrochen hatte. Das, so schien ihm, hatte seine Ehe zerstört. Wendy brauchte nur noch den Entschluss zu fassen … wenn ihre Mutter nicht ein so widerwärtiges Miststück gewesen wäre, hätte Wendy nur noch gewartet, bis Danny reisen konnte und dann den nächsten Bus nach New Hampshire genommen. Es war vorbei.
Es war kurz nach Mitternacht passiert. Jack und Al hatten auf der U.S. 31 gerade Barre erreicht, Al am Steuer seines Jaguar. Abenteuerlich nahm er die Kurven, und oft geriet er über die doppelte gelbe Linie. Sie waren beide stinkbesoffen; in dieser Nacht hatten sie literweise Martini geschluckt. Als sie vor der Brücke mit über hundert Kilometern die letzte Kurve genommen hatten, war plötzlich ein Kinderfahrrad vor ihnen auf der Straße, und dann das scharfe, beleidigte Kreischen des Gummis, der von den Reifen des Jaguar wegfetzte, und Jack erinnerte sich noch, dass Als Gesicht wie ein runder weißer Mond über dem Steuer gehangen hatte. Dann das klirrende Krachen, als das Rad verbogen und zerbeult vor Jacks weit aufgerissenen Augen hochgeschleudert wurde und mit dem Lenker gegen die Windschutzscheibe knallte, dass sie zerbarst. Dann schlug das Rad mit grässlichem Scheppern hinter ihnen auf. Die Reifen schienen über etwas hinwegzurumpeln. Der Jaguar stellte sich quer, und Al hing immer noch am Steuer, während Jack sich wie von weitem sagen hörte: »Mein Gott, Al. Wir haben ihn erwischt. Ich hab’s gemerkt.«
Er hatte immer noch das Rufzeichen im Ohr. Komm endlich, Al. Du musst zu Hause sein. Ich will dies hinter mich bringen.
Einen Meter vor dem Brückenpfeiler hatte Al den Wagen mit qualmenden Reifen zum Stehen gebracht. Zwei Reifen des Jaguar waren platt. Sie hatten eine achtzig Meter lange Zickzackspur verbrannten Gummis hinterlassen. Sie schauten einander kurz an und rannten dann in die kalte Dunkelheit zurück.
Das Fahrrad war völlig zerstört. Ein Rad fehlte. Und dann hatte Al es mit abgerissenen Speichen mitten auf der Straße liegen sehen. Zögernd hatte Al gesagt: »Ich glaube, wir haben es überfahren, Jacky, mein Junge.«
»Und wo ist das Kind?«
»Hast du ein Kind gesehen?«
Jack runzelte die Stirn. Es war alles so schnell gegangen. Die Kurve. Das Fahrrad im Scheinwerferlicht. Als Aufschrei. Dann die Kollision und das Schleudern.
Sie legten die Fahrradtrümmer an die Böschung. Al ging zum Jaguar zurück und schaltete die Warnlichter an. Zwei Stunden lang suchten sie mit einer Taschenlampe die Straßenseiten ab. Nichts. Obwohl es spät war, fuhren einige Wagen an dem geparkten Jaguar und den beiden Männern mit der Taschenlampe vorbei. Keiner hielt an. Später dachte Jack, dass die Vorsehung auf seltsame Weise die Polizei ferngehalten hatte, um ihnen beiden noch eine letzte Chance zu geben, denn keiner der Vorbeifahrenden hatte den Unfall gemeldet.
Um Viertel nach zwei kehrten sie nüchtern, aber in erbärmlicher Verfassung zum Jaguar zurück. »Wenn niemand auf dem Rad gesessen hat, was hatte es denn mitten auf der Straße zu schaffen?« wollte Al wissen. »Es stand nicht am Straßenrand, sondern mitten auf der Straße.« Jack konnte nur den Kopf schütteln.
»Der Teilnehmer meldet sich nicht«, sagte die Telefonistin. »Soll ich’s weiter versuchen?«
»Klingeln Sie bitte noch ein paar Mal durch, Fräulein.«
»Gern, Sir«, sagte sie diensteifrig.
Melde dich doch endlich, Al.
Al war über die Brücke ans nächste Telefon gegangen, hatte einen unverheirateten Freund angerufen und ihn gebeten, die beiden Winterreifen aus der Garage zu holen und sie zur 31 an die Brücke vor Barre zu schaffen. Das sei ihm fünfzig Dollar wert. Zwanzig Minuten später traf der Mann in Jeans und Pyjamajacke am Unfallort ein und schaute sich um.
»Habt ihr jemanden totgefahren?« fragte er.
Al war schon damit beschäftigt, den Wagen aufzubocken, während Jack die Radmuttern löste. »Zum Glück nicht«, sagte Al.
»Dann will ich mich auf den Weg machen. Du kannst mir das Geld morgen geben.«
»In Ordnung«, sagte Al, ohne aufzuschauen.
Rasch
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