Shining
war das Verlangen nach einem Drink fast nicht mehr auszuhalten. Er fuhr zu Al.
»Bist du trocken?« fragte Al, bevor er ihn einließ. Al sah schrecklich aus.
»Knochentrocken. Du siehst aus wie der Hauptdarsteller eines Gruselfilms.«
»Kommrein.«
Den ganzen Nachmittag spielten sie Karten. Sie tranken keinen Tropfen.
Eine Woche verging. Wendy und er wechselten kaum ein Wort. Aber er wusste, dass sie ihn beobachtete, ihm nicht glaubte. Er trank schwarzen Kaffee und jede Menge Cola. Eines abends trank er sechs Dosen nacheinander, rannte ins Bad und brach alles wieder aus. Die Flaschen in der Hausbar behielten ihren Pegel. Nach dem Unterricht besuchte er Al Shockley – Wendy hasste Al Shockley mehr als jeden anderen –, und wenn er nach Hause kam, hätte sie darauf schwören können, dass er nach Whiskey oder Gin roch, aber er redete ganz normal, trank Kaffee, spielte nach dem Abendessen mit Danny, teilte sich mit ihm eine Cola, las ihm vor dem Schlafengehen Geschichten vor und beschäftigte sich anschließend mit Korrekturen, wobei er eine Tasse Kaffee nach der anderen trank. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich geirrt hatte.
Weitere Wochen vergingen, und das unausgesprochene Wort geriet bei ihr fast in Vergessenheit. Das spürte Jack, aber ganz würde sie es nie vergessen. Alles wurde ein wenig leichter. Dann die Sache mit George Hatfield. Er hatte wieder die Beherrschung verloren, diesmal war er dabei stocknüchtern.
»Sir, der Teilnehmer meldet sich immer noch –«
»Hallo?« Als Stimme. Ganz außer Atem.
»Bitte, sprechen Sie«, sagte die Telefonistin streng.
»Al, hier ist Jack Torrance.«
»Jacky, mein Junge!« Seine Freude war nicht geheuchelt. »Wie geht’s dir?«
»Gut. Ich wollte mich nur bei dir bedanken. Ich hab’ den Job bekommen. Der Vertrag steht. Wenn ich den ganzen Winter eingeschneit bin und das Stück immer noch nicht zu Ende bringe, schaffe ich es nie.«
»Du wirst es schon schaffen.«
»Und was ist sonst?« fragte Jack zögernd.
»Trocken«, erwiderte Al. »Und du?«
»Knochentrocken.«
»Vermisst du es?«
»Von morgens bis abends.«
Al lachte. »Das kenn’ ich. Aber ich weiß nicht, wie du es nach der Sache mit diesem Hatfield geschafft hast. Hätte ich nicht für möglich gehalten.«
»Was soll’s. Das hab’ ich mir eben versaut«, sagte Jack gleichmütig.
»Verdammt. Im Frühjahr ist Vorstandssitzung. Effinger meint schon, dass sie vielleicht ein wenig voreilig gewesen sind, und wenn aus dem Stück was wird –«
»Ja. Hör zu, mein Junge sitzt draußen im Wagen, Al, ich glaub’, er wird schon unruhig –«
»Klar. Versteh’ ich. Ich wünsch’ dir einen guten Winter, Jack. Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte.«
»Noch mal vielen Dank, Al.« Er legte auf und schloss in der heißen Zelle die Augen. Wieder sah er das zerschmetterte Fahrrad und den Schein der Taschenlampe. Am nächsten Tag hatte eine kurze Notiz in der Zeitung gestanden, aber der Eigentümer des Rads war nicht genannt worden. Warum das Rad mitten in der Nacht dort gestanden hatte, würde wohl immer ein Geheimnis bleiben, und so sollte es wohl auch sein.
Er ging zum Wagen zurück und gab Danny sein ein wenig geschmolzenes Baby Ruth.
»Daddy?«
»Was ist denn, Doc?«
Danny zögerte, und Jack sah ihn abwesend an.
»Als ich darauf wartete, dass du von diesem Hotel zurückkommst, hatte ich einen schlimmen Traum. Weißt du noch? Als ich einschlief?«
»Hmm.«
Es war sinnlos. Daddys Gedanken waren woanders, nicht bei ihm. Er dachte wieder an das Schlimme.
(Ich habe geträumt, dass du mir wehgetan hast, Daddy)
»Was für ein Traum, Doc?«
»Nichts.« Sie fuhren los, und Danny schob die Straßenkarten ins Handschuhfach zurück.
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Jack sah seinen Sohn besorgt an und beschäftigte sich dann in Gedanken wieder mit seinem Stück.
6
NACHTGEDANKEN
Die Leidenschaft war vorbei, und ihr Mann schlief neben ihr.
Ihr Mann.
Sie lächelte leise in der Dunkelheit, und sein Samen lief noch langsam und warm an ihren ein wenig geöffneten Schenkeln herab, und ihr Lächeln war Freude und Trauer zugleich, denn der Gedanke an Ihren Mann ließ hundert Gefühle entstehen. In der Dunkelheit, in der allmählich der Schlaf kommen wollte, war der Ansturm all dieser Gefühle wie verhaltene Blues -Klänge in einem fast leeren Nachtclub, melancholisch, aber angenehm.
Lovin’ you baby, is just like rollin’ off a log,
But if I can’t be your woman, I sure ain’t
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