Shopping and the City
Pikaschu-Plüschkissen, die fuchsiafarbenen Schmetterlingslampen aus Papier und den Origami-inspirierten zusammenklappbaren Schreibtisch bis hin zu der riesigen glitzernden Discokugel an der Decke (ein Überbleibsel ihrer Bat Mitzwa) war eine nicht allzu unterbewusste Anerkennung ihrer bikulturellen Abstammung.
Als ich hereinkam, befand sich Evie wie üblich in einem schöpferischen Chaos, soll heißen, sie saß mitten
im Zimmer auf dem Fußboden, halb begraben unter einem Berg von Stoffproben und Kleidungsstücken. Sie spähte unter einem wirren Vogelnest aus pink gesträhnten Haaren hervor, die bis über den unterhalb der Hüfte sitzenden Bund ihrer Joey-Jeans reichten. Aus ihrem iPod dröhnten die Beastie Boys.
»He, Girlie!«, kreischte sie und stand auf, um mir zur Begrüßung beide Wangen zu küssen. Während meine Sommersprossen nur meine Nase und meine Wangen sprenkelten, war Evie vom Scheitel bis zur Sohle damit bedeckt. Eine Bahn Musselin war wie eine Toga um ihren knuddeligen, molligen Leib drapiert und brachte so den total süßen Sabbia-Rosa-BH aus geblümter Seide bestens zur Geltung. Evie war ein Anblick für die Götter.
»Sieh mal, sieh mal!«, schrie sie und zeigte stolz ihre neuen weißen Sommer-Moonboots her.
»Ich schätze, jetzt ist es offiziell«, sagte ich zu ihr. »Du bist total abgehoben.«
»Die sind doch echt klasse, was?«, begeisterte sie sich, während sie ein Gummibärchen aufhob, das von ihrem Schoß gefallen war. Evie ist absolut süchtig nach Nostalgie-Süßigkeiten. Zu jedem gegebenen Zeitpunkt findet man in ihrem Zimmer eine Auswahl an Abba-Zaba-Erdnussbutter-Schokoriegeln, Sugar-Daddy-Karamelllollys, Chunkys-Rosinen-und-Erdnuss-Schokoriegeln und Good & Plentys-Lakritz-Stafetten verstreut, doch am liebsten sind ihr Gummibärchen. Proust hatte seine Madeleines, ich habe meine Petit Fours, und Evie hat ihre Gummibärchen.
Ich ließ meine Tasche auf einen Stapel Zeitschriften fallen, holte Toy und Booboo aus dem Tragekorb und schaute mich suchend nach einer freien Stelle um, wo ich mich hinsetzen konnte. Jeder Quadratmeter des Zimmers (und es gab viele Quadratmeter) war von
Stoffproben, Schnittmustern, Zeichnungen und Evies eigenen Entwurfsskizzen bedeckt. Solange ich Evie kannte, hatte sie ihre T-Shirts und alles, dessen sie sonst noch habhaft werden konnte, zurechtgeschnitten, geschmokt, gerafft, bedruckt, laminiert, gefärbt, gebatikt, aufgeschlitzt, zerrissen, verdreht, geschichtet und mit Perlen bestickt. Sie trug ihre Sachen aufgekrempelt, heruntergekrempelt, verkehrt herum, quer, von innen nach außen gekehrt, kopfüber, halb angezogen, halb ausgezogen. Ösen, Nieten, Stickereien, Applikationen, Ziernadeln, Spangen, Knöpfe und Perlen waren nur einige ihrer bevorzugten Verzierungen. Ihr bevorzugtes Medium waren allerdings Kopfkissenbezüge. Ein beherzter Schlitz hier (Halsausschnitt und Armlöcher), eine Verzierung dort, und voilà, Instant-Evie-de-la-Couture.
Leider waren nicht alle so begeistert von Evies Talent. Ihre Kindergartenkameraden fanden, dass sie sich wie ein Freak anziehe. Und, na ja, ich gebe es zu – ich war eins von jenen Kindern. Das heißt, allerdings nur bis zur Klassenaufführung des Stücks: Unsere Freunde im Garten , eine fröhliche Posse über freundliches, gesundes Gemüse. Ihr wisst schon, was ich meine. Jedenfalls habe ich mich mächtig mit meiner Lehrerin wegen der Möhren-und-Rosenkohl-Szene in die Haare bekommen, weil sie darauf bestand, dass die Möhren aus Polyester gemacht wurden. Dabei weiß sowieso jeder, dass Möhren und Rosenkohl nicht zusammenpassen. Die Farben beißen sich. Nun, Evie löste das Problem in dem Milliardstel einer Nanosekunde, indem sie vorschlug, dass die Lehrerin die ekligen Möhren gegen Rote Beete austauschen solle, und auch gleich ein Stück roten Crêpe de Chine anbot, das sie zufällig dabeihatte. Total genial! Langer Rede kurzer Sinn, an jenem Tag passierten zwei Dinge: Wir wurden allerbeste Freunde für immer und begannen sogleich damit, Pläne für die Weltherrschaft zu schmieden.
Evie zeigte auf zwei Schneiderpuppen in der Ecke. »Diese Uniformen werden einfach umwerfend!«
Was uns zum McDonald’s-Relaunch-Projekt bringt, auch bekannt als Plan A. Das war der Plan, der meine finanzielle Misere beheben und Evie von den Illusionen ihres Vaters bezüglich ihrer Zukunft in seinem Gastronomieunternehmen befreien würde.
Es begann alles an dem Tag, an dem Evies Vater ihr einen Job bei McDonald’s
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