Showtime! (German Edition)
sie selbst es war. Mit weit mehr Freude und Spaß an der Sache.
Sie malte sich aus, was Sheila wohl aus ihrem Leben machen, welche Träume sie sich verwirklichen würde und wie viele ihrer schlechten Eigenschaften sie ihr mitgegeben hatte, die ihr alles verbauen konnten.
Sie sah sich selbst in Sheilas Alter, wie sie selbstvergessen und von aller Welt verlassen den nächtlichen Sternenhimmel betrachtet und sich gewünscht hatte, tot zu sein. Ihr war so vieles vorenthalten worden, was einem kleinen Menschen als Geburtsrecht zustand.
Sheila war nicht wie sie und würde auch nie werden wie sie. Sie hatte gehabt, was sie nicht gehabt hatte, war beschützt aufgewachsen, hatte Menschen um sich, die sie liebten, verwöhnten und ernstnahmen. Sie wusste noch nichts von den Dingen, die Georgia zu früh schon hatte erfahren müssen. Und sie würde nie allein sein, nie wissen, wie sich das anfühlte, nicht gewollt und nicht beachtet zu werden. Sheila würde später keinen Grund haben, ihr Frausein zu verfluchen; sie würde auf ihre Schönheit stolz sein können und sie weder verbergen, noch darauf bedacht sein, ihren Nutzen daraus zu ziehen, um zu überleben.
Georgia schloss sie in den Arm, als sie pudelnass zu ihr gelaufen kam. Sie hüllte sie liebevoll in ein Badelaken, küsste sie und hielt sie fest umarmt.
«Alles okay mit dir?» erkundigte sich Sheila, lehnte ihren Kopf an Georgias Brust und seufzte: «Ich wünschte wir könnten hier wohnen. Hier ist es viel schöner als in Berlin.»
«Ja. Das ist es» stimmte Georgia zu, schaute aufs türkis schimmernde Meer und horchte auf das Rauschen der Brandung. Sie erinnerte sich an Wellenrauschen, das ihren Schlaf begleitet hatte. In einer alten, fast verfallenen Villa in einem von Sydneys zahlreichen Stränden, in der sie Zuflucht gesucht hatten. Joey und sie. Noch Kinder damals, ganz auf sich allein gestellt, in einer erwachsenen Welt, hin- und hergerissen zwischen Surfen und Toben am Strand und nächtlichen Streifzügen durch die Straßen der Innenstadt. Stets auf der Suche nach Essbarem und Dingen, die man zu Geld machen konnte. Kokettieren mit potentiellen Freiern, die liebsten Bekannten Huren und Säufer.
«Hast du mich lieb, Sheila?» fragte sie geistesabwesend.
«Natürlich» erwiderte Sheila und streckte die Ärmchen nach hinten, um ihren Nacken zu umfassen. «Ich habe dich ganz doll lieb. Du bist meine beste Freundin.»
«Wirklich?»
«Klar. Warum fragst du mich das?»
«Nur so. Ich hab dich nämlich auch ganz wahnsinnig lieb.»
«Ich weiß.» Sheila ließ sie los und drehte sich zu ihr herum. Die Arme zu den Seiten ausgestreckt, spielte sie nachdenklich mit dem weichen, warmen Sand und fragte: «Du - warum ist eigentlich Sabrina nicht mitgekommen? Hat sie keine Zeit?»
«Sie wäre bestimmt gerne mitgekommen» sagte Georgia, «aber, weißt du, sie ist sauer auf mich. Sie sagt, ich bin nicht wirklich erwachsen, und ich glaube, sie hat recht.»
«Warum? Ich finde das toll. Die anderen Erwachsenen sind immer zu ernst und alles. Und das bist du nicht. Du bringst mich immer zum Lachen. Mit dir kann man richtig Unsinn machen und du erlaubst mir auch mehr als die Anderen.»
«Unsinn machen... » wiederholte Georgia wenig angetan. «Ja, das ist wohl alles, was ich kann. Ich sollte endlich damit aufhören.»
Sheilas Sorglosigkeit war kindgerecht und angebracht. Sie war nicht in Stimmung für melancholische Gespräche. «Kommst du mit ins Wasser?» fragte sie, kaum in der Lage, Georgias Probleme nachzuvollziehen. «Komm, wir kämpfen um die Luftmatratze, ja? Aber nicht wieder stuken, wenn du mich runter geschubst hast! Das ist nämlich unfair, du bist stärker als ich!»
Als Sheila auf der Heimfahrt auf der Rückbank schlief, geschafft vom hartnäckigen Luftmatratzenkampf und vom Wettschwimmen, Ballspielen und joggen am Strand, dachte Georgia darüber nach, ob sie wohl mehr Verantwortungsgefühl haben würde, hätte sie ihr Kind damals behalten. Nein, entschied sie, vermutlich nicht. Überfordert wäre sie gewesen. Und die Angst, gewalttätig zu sein wie ihre Mutter, ungerecht, unfähig, hätte sich vielleicht bestätigt. Bei Rita und Siggi war sie viel besser aufgehoben als bei ihr, die sie selbst noch ein Kind war, fern von jeder Verantwortung.
Georgias liebster Leitspruch: ich mag älter werden, aber ich weigere mich, erwachsen zu sein verlor seinen unbegrenzte Freiheit versprechenden Klang. Mit dieser Einstellung, ging ihr nun allmählich auf, würde sie
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