Showtime! (German Edition)
Ich finde, ich sollte ein Laster haben. Alle haben eins, nur ich nicht. - Oder vielleicht sollte ich mal wilde Partys schmeißen oder mir regelmäßig Pornos ausleihen - he! Wieso lachst du? Ist doch so. Ich bin viel zu solide!»
«Zugegeben» kicherte Carla. «Trotzdem weiß ich nicht, ob du es nicht mehr bist, nur weil du Zigarren rauchst oder dir Pornos anschaust. Wo liegt denn das wahre Problem?»
«Ich fühle mich irgendwie farblos» sinnierte Sabrina. «Als wäre ich gar nicht da.»
«So? Wer übersieht dich denn? Dein kurzsichtiger Dauerbegleiter?»
«Lisa Fitz hat's doch in einer ihrer Kabarettshows mal auf den Punkt gebracht: Die saubere, anständige, solide Frau, hat sie gesagt, hat heutzutage ausgeschissen. Eine Studie beweist das. Denk mal an Nancy Fridays Buch: 'Die erotischen Phantasien der Männer'. Die wollen doch lieber diese verruchten Schlampen. So eine wie diese Georgia. Jürgen hat sie gesehen und gleich eine Ganzkörpererektion gekriegt, nur weil - »
«Wen hat er gesehen?» unterbrach Carla beiläufig.
«Georgia. Die von der Technoparty neulich. Ich habe zufällig mitgekriegt, dass sie Georgia heißt.»
Carla ließ den Namen durch ihren Gedächtnisspeicher rattern. «Technoparty? Welche jetzt?»
«In Kreuzberg» half ihr Sabrina auf die Sprünge und blies sich eine vorwitzige schwarze Haarsträhne aus der Stirn. «Das Supermodel mit dem Ledercap, weißt du noch? Jürgen hat pausenlos auf ihren Busen gestarrt. Wieso gucken Männer immer nur auf den Busen? Wieso fällt mir immer auf, wenn jemand schöne Zähne oder Hände hat?» Sie seufzte erneut leidgeplagt. «Schöne Zähne hat sie auch noch ... diese Georgia, meine ich. So weiß und so ... perfekt wie in der Perlweißwerbung, das ist doch ekelhaft.»
Carla gluckste amüsiert. «Schöne Jacketkronen wahrscheinlich. Ist doch alles nur Beschiss, Sabrina.»
«Wäre ein netter Trost - aber die waren echt, ich schwöre es. So was sehe ich. - Habe ich irgendwann in diesem Leben schon erwähnt, dass ich Frauen wie diese zum Tod nicht ausstehen kann?»
«Hast du» bestätigte Carla. «Danke, reicht. Jede Woche eine, die dir deine Minderwertigkeitskomplexe vor Augen führt ... klärst du mich jetzt mal auf, wo ihr sie gesehen haben wollt? Ihr hängt doch Tag und Nacht in der Bude rum.»
«Auf einem Straßenfest - »
« - Höre ich richtig? Du meinst, du und dein Scheich, ihr habt mal eure Burg verlassen? Freiwillig? Und auch noch gemeinsam ?»
Sabrina überhörte ihre Frotzelei. «Stell' dir vor, sie spielt Gitarre in einer Band» blieb sie beim Thema, « - und singt ... auf der Bühne, vor all diesen Leuten - ich könnte das nicht.»
«Nein, das glaube ich allerdings auch nicht. Wo du doch schon keinen Ton raus kriegst, wenn du vor mehr als drei Leuten frei reden sollst.»
Sabrina zog einen trotzigen Schmollmund und hörte auf, äußerst kritisch ihre Haarspitzen zu betrachten. «Weißt du, Carla» begann sie und zweifelte nicht zum ersten Mal ihre Loyalität an, «manchmal bin ich mir nicht sicher, ob du wirklich meine Freundin bist. Oder nicht viel eher so ein kleiner Teufel, der auf meiner Schulter sitzt und mir böse Dinge einredet. - Wie in den Walt Disney-Filmen. Musst du mich eigentlich ständig niedermachen?»
«Dein Argument ist zwar zum Teil begründet» entgegnete Carla in sachlichem Ton, «aber nicht ganz berechtigt. Schau mal, du bemitleidest dich doch selbst schon genug. Findest du nicht, dass das reicht? Soll ich wirklich noch ei-ei bei dir machen und dir sagen, wie furchtbar schlecht es dir geht, du armes Hascherl? Erwartest du von mir Freundschaft oder meine berufliche Qualifikation?»
«Oje, jetzt geht das wieder los» stöhnte Sabrina, die dem 'Psychogeschwafel', wie sie Carlas Ausfälle nannte, rein gar nichts abgewinnen konnte, «verschone mich damit.»
«Wenn es wirklich so akut wäre» fuhr Carla unbeirrt fort, dann würde ich dir eine Therapie anraten. Glücklicherweise brauchst du aber keine, es liegt nämlich kein wirkliches seelisches Problem vor. Du bist unzufrieden, und das könntest du ändern, indem du - »
«Ist schon gut, Frau Doktor» fiel ihr Sabrina ins Wort, «hab schon verstanden. Du bist mir als Freundin eh lieber. Du wirst immer so kompliziert, wenn du damit anfängst. Da höre ich mir doch lieber deine Schmähreden an. Ich kann's nicht leiden, wenn du so entsetzlich menschlich bist. Das passt auch gar nicht zu dir.»
«Nö, das passt auch nicht zu mir» wiederholte Carla in dunkler Tonlage.
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