Jerry Cotton - Folge 2942: Das letzte Level ist der Tod (German Edition)
Wer in diesen Tagen das Pech hatte in New York zu wohnen und nicht die Möglichkeit, sich Urlaub zu nehmen und das Weite zu suchen, war froh, wenn er zumindest über eine Klimaanlage verfügte. Wenn nicht, wäre er vermutlich bereit gewesen, jeden Preis dafür zu zahlen. Kein Wunder, herrschten in der Stadt doch seit über einer Woche Temperaturen von knapp vierzig Grad.
Als Phil an der üblichen Stelle in den Jaguar stieg, war es kurz nach acht. Aber trotz der frühen Stunde war sein Gesicht bereits von einem glänzenden Schweißfilm überzogen.
Das Thermometer stand auf 27 Grad.
»Warum bin ich nicht als Walross zur Welt gekommen«, stöhnte er, während er sich anschnallte. »Oder als Galapagos-Seelöwe. Ich hab kürzlich eine Dokumentation im Fernsehen gesehen. Die Jungs hängen den ganzen Tag am Strand ab, und wenn es ihnen zu heiß wird, drehen sie eine Runde um die Insel. So stelle ich mir das perfekte Leben vor.«
Ich schmunzelte, denn ich wusste genau, warum mein Partner sich solchen Fantasien hingab.
»Vielleicht würde es schon reichen, wenn du endlich deine Klimaanlage reparieren lassen würdest.«
»Soll das ein Witz sein? Ich stehe bei fünf Reparaturdiensten auf der Warteliste. Die kommen wahrscheinlich erst, wenn die Lichter am Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center angezündet werden.«
Phil tat mir leid. Fast in jedem Sommer gab es diese vierzehn Tage, in denen sich unsere Stadt in einen Glutofen verwandelte. Wenn dann die Klimaanlage ausfiel, war das ungefähr so, als wenn man Weihnachten ohne Heizung dasaß.
»Und wenn du es erst mal mit einem Ventilator versuchst? Es gibt da inzwischen sehr leistungsstarke Modelle, die angeblich die ganze Wohnung kühlen.«
»Jerry, in dieser Stadt bekommst du zurzeit nicht mal einen Handventilator. Für eine funktionierende Klimaanlage werden Morde begangen. Also bitte, spar dir deine Ratschläge.«
Ich schwieg, und als wir durch Greenwich fuhren, hatte sich der Seelenzustand meines Partners auch schon wieder einigermaßen stabilisiert. Und die Transpiration war zum Stillstand gekommen.
Denn mein Jaguar hatte nicht nur 510 Viper-PS unter der Motorhaube. Er verfügte auch über eine ausgezeichnete Klimaanlage.
»Warst du heute schon online?« Phil genoss die angenehmen zwanzig Grad Innentemperatur sichtlich und lebte regelrecht auf. »Oder hast du CNN gesehen?«
»Nein. Warum?«
»Irgendjemand hat einen ziemlich abgefahrenen Clip auf YouTube eingestellt. Solltest du dir unbedingt mal ansehen.«
Ich war nicht unbedingt ein Fan der typischen YouTube- Videos. Entweder handelte es sich um niedliche Szenen mit Haustieren oder um Situationen, in denen Menschen sich unglaublich dämlich anstellten und spontane Schadenfreude beim Betrachter auslösten.
Am schlimmsten war eine Mischung aus beidem.
Katzen, die beim Versuch, eine Plastikmaus zu erwischen, in eine volle Badewanne rutschten. Hunde, die mit ihrem Spiegelbild flirteten. Affen, die beim Lausen ihre Arme rettungslos verknoteten.
Nicht meine Art von Humor.
***
Im Büro angekommen, checkten wir als Erstes unsere Mails und brachten uns mit dem aktuellen NYPD Crime Report auf den Stand über die Verbrechen, die in den vergangenen zwölf Stunden in unserer Stadt verübt worden waren.
Fünf Morde, 24 Vergewaltigungen, 39 Raubüberfälle, 56 schwere Körperverletzungen.
Eigentumsdelikte wurden in einer separaten Rubrik aufgeführt.
Die Zahlen lagen knapp über dem Durchschnitt. Angesichts der extremen Temperaturen hätten sie aber auch deutlich höher ausfallen können.
Allerdings tauchten in dieser Statistik längst nicht alle tatsächlich verübten Verbrechen auf. In einer Acht-Millionen-Stadt wie New York war die Dunkelziffer immer eine respektable Größe.
Unser Kollege Steve Dillaggio kam herein und stellte uns ein Sixpack eisgekühlte Wasserflaschen auf den Tisch.
»Damit eure Synapsen bei den Höllentemperaturen nicht verglühen«, scherzte er augenzwinkernd, und dann: »Habt ihr das Video schon gesehen?«
Jetzt war es schon DAS Video. Denn natürlich meinte auch Steve den Clip, den Phil auf der Fahrt zum Field Office erwähnt hat. Es schien kein Weg daran vorbeizuführen, ich musste mir die Bilder anschauen.
Ich ging auf die YouTube -Site.
»Was soll ich eingeben?«
Phil und Steve sahen sich kurz an.
»Schreib einfach South Ferry «, schlug Steve Dillaggio vor.
Und dann sah ich dieses unglaubliche Video.
Es war 51 Sekunden lang.
Offensichtlich handelte es sich um eine
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