Showtime! (German Edition)
«Psychotherapeuten sind die einzig wahren Menschenhasser. Das weiß nur keiner.» Sie hüstelte. «In Ordnung, wechseln wir das Thema. - Lässt du dich überreden, am Wochenende deine Tanzschuhe anzuziehen, Cinderella?»
«Von mir aus. Ich muss hier raus, bevor ich vollständig verblöde und im Schlaf alle Werbetexte zitiere ... Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten entnehmen sie der Packungsbeilage - oder erschlagen sie ihren Arzt oder Apotheker ... »
«Ins Blond's ?» schlug Carla verheißungsvoll vor, ihre Werbetextpersiflage nur mit halbem Ohr vernehmend. «Zu deinem Traummann?»
«Du willst mich wohl unbedingt in Schwierigkeiten bringen, was? Weißt du, was passiert, wenn Jürgen das `rauskriegt?»
«Was soll schon passieren? - Er fängt an zu heulen.»
«Ach. Meinst du.»
«Sabrina. Ich kenne diese Sorte Mann, glaub mir. Macht auf hart und sucht Trost an Mamis Brust, wenn das Leben gemein zu ihm ist.»
Sabrina kicherte. « ... Wahrscheinlich hast du Recht.»
«Wozu hast du dir dieses Buch gekauft» erinnerte Carla, «du weißt doch: 'Vom Umgang mit dem neurotischen Mann' - wenn du es doch nicht liest?»
«Ich hab's gelesen. Theorie und Praxis, Carla ... » Sabrina rollte sich auf den Bauch und schloss die Augen. «Ich müsste zaubern können, um diesen Mann noch zu ändern. Wie sagst du immer: Ab dreißig geht nix mehr? Er ist einunddreißig. Was soll ich da noch tun?»
«Schaff' ihn ab.»
«Carla!» entrüstete sich Sabrina. «Er ist doch kein Hund!»
«Doch. Wenn es so weit ist, dass du ihn auf einem Straßenfest Gassi führen musst, damit er mal an die Luft geht, ist es passiert, glaub' es mir.»
«Und was bin ich, wenn ich ewig nach seiner Pfeife tanze?»
«Blöd.»
«Dankeschön.»
«Gern geschehen.» Carla lachte. «Komm schon, Sabrina: Beim nächsten Mann wird alles anders! Lass es einfach auf einen Versuch ankommen.»
«Einen noch. Und dann gehe ich ins Kloster.»
***
Frau Studienrätin schlief wie narkotisiert, als Georgia sich schlaftrunken aus dem Bett rollte.
Der katzenhafte Schleichgang war Teil der Routine, ebenso das nochmalige Durchzählen der Scheine, die sie vorab kassiert und sicher gebunkert hatte. Man konnte ja nie wissen.
Waschen und Anziehen im Bad und ein lautloser Abgang ersparte den sachlichen Hinweis, dass ein Frühstück nicht im Preis inbegriffen war. Gefühlsduselige Abschiedsszenen waren lästig und nach Möglichkeit zu vermeiden; Sie zog die Wohnungstür vorsichtig ins Schloss, schlüpfte im Gehen in die Lederjacke und nahm die Treppen im Sauseschritt.
Im Hof stand ihr ganzer Stolz: die blankpolierte, hundertundfünfzig PS starke Yamaha V-Max, die sie trotz Reifglätte und Granulat auf den Straßen unfallfrei durch den grausigen Großstadtwinter gebracht hatte.
Jeder Winter in Deutschland glich einem Härtetest. Jeder Herbst ließ ihren Überlebenswillen aufkreischen und ihr nahe legen, kurzfristig in den Süden auszuwandern. Nichts hasste sie so sehr wie diese grässliche Kälte, die tristen, grauen Wintertage und gefütterten Jacken, Stiefel und Schals, die ihr klaustrophobische Zustände bescherten. Noch nach all diesen Jahren in Europa fror sie erbärmlich und sehnte sich nach Sonne, Meer und Aussies in Shorts und Badelatschen, die fröhlichere Gesichter machten als die kältegeschädigten Berliner, die ungeschlagenen Rekordhalter im unbegründeten Dauernörgeln.
Das Brummen der Max hallte von den Hauswänden wider, als sie durch die Toreinfahrt zur Straße fuhr. Ein einsamer Spaziergänger ließ seinen auf Ausstellung frisierten Pudel seinen natürlichen Bedürfnissen nachkommen, müde, die Knitterfalten des Schlafs noch im Gesicht.
Georgia fuhr trantütig von Ampel zu Ampel, fühlte sich grauenhaft und bereute jedes Milligramm Speed, das sie verlustierfreudig auf ihren Körper losgelassen hatte. Es hatte sie sechsunddreißig Stunden im Dauerlauf nehmen und drei Päckchen Zigaretten rauchen lassen, die jetzt höhnisch lachend ihre Bronchien drangsalierten.
Den Deal in Neukölln brachte sie schnell und reibungslos hinter sich. Charlottenburg war nichts für schwache Nerven. Der Übergabe der Geldschulden wohnten zwei grimmig dreinschauende Pitbulls bei, denen sie respektvoll eine offizielle Sympathieerklärung verweigerte.
Ihr täglich absolviertes Bahnen ziehen im Schwimmbad kostete die letzten Kraftreserven, das Fahren im morgendlichen Tohuwabohu die letzte Gelassenheit.
«Hi, Schätzchen ... du siehst echt beschissen aus»
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