Shutdown
Ruhe, während sie virtuos eine Variante nach der andern prüfte, in Windeseile Muster verglich, Diagramme überlagerte, kombinierte, verwarf, bis ein Bild entstand, das Jen kalte Schauer über den Rücken jagte.
»Der Blackout!«, rief sie, stellvertretend für die andern, die in stummem Staunen verharrten.
»So könnte es gewesen sein«, nickte Emma nachdenklich. »Ich glaube, wir sollten uns auf diese Knoten konzentrieren.«
Die Truppe verstand sofort, was ihr Mathematikgenie meinte, was sonst nicht immer der Fall war. Oft musste Emma ihre gedanklichen Quantensprünge mühsam erklären, bis sie auch Menschen mit IQ unter 140 begriffen. Emma hatte rund ein Dutzend Stromquellen und Unterwerke identifiziert, deren Einspeisung man blockieren musste, um ziemlich genau dem Gebiet um die San Francisco Bay, die San Pablo Bay und das Napa Valley den Strom abzuschalten. Ein lösbares Problem für manipulierte Steuersoftware.
»Jetzt müssen wir die Manipulation nur noch nachweisen«, sagte Jezzus. »Schafft ihr das?«
»Falls es ein Hack ist, werden wir ihn finden«, antwortete Emma mit zuversichtlichem Schmunzeln. »Wir haben eine gute Vorstellung, wo wir suchen müssen.«
Das »Wir« war eine nette Übertreibung. An ihr allein lag es jetzt, den Code der ›Blacks‹ zu finden und zu knacken, falls es ihn gab.
Lindas Hand lag plötzlich auf der Tastatur. »Das sollten wir uns anhören«, sagte sie hastig, schaltete den Lautsprecher ein und holte das Nachrichtenfenster in den Vordergrund.
Im News–Sender ›TNN‹ lief ein Interview mit Jim Ward, Chief Operating Officer bei ›CGO‹, verantwortlich für den Betrieb des größten kalifornischen Stromnetzes. Der Mann, der auch den Blackout letztlich zu verantworten hatte, ihr Auftraggeber.
»Das ist er doch, unser verehrter Kunde«, fügte Linda mit schiefem Lächeln hinzu.
Sie drehte lauter. Die Moderatorin sprach:
»Ich begrüße nun Jim Ward, COO bei ›California Grid Operator‹. Danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Tim, trifft es zu, dass der verheerende Blackout gestern Nacht ausschließlich das Netz Ihrer Firma betraf?«
Der blasse, übernächtigte COO räusperte sich nervös. »Das ist richtig, Janice.«
»Es sind zweiundzwanzig Stunden vergangen seit dem totalen Ausfall und es gibt noch immer keine offizielle Stellungnahme der ›CGO‹. Was hat der Netzoperator zu verbergen?«
»›CGO‹ hat gar nichts zu verbergen. Wir sind eine gemeinnützige Organisation mit dem einzigen Zweck, der Bevölkerung Kaliforniens eine sichere und zuverlässige Stromversorgung zu garantieren ...«
»Genau da haben Sie versagt.«
Ward schüttelte gereizt den Kopf. »Wenn Sie mich ausreden ließen, Janice ... Unsere Ingenieure und Techniker arbeiten vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche hart daran, dass so etwas wie gestern Nacht nicht passiert. Aber wir haben es hier mit außerordentlich komplexer Technologie zu tun. Da gibt es immer Risiken. Eine eigene Abteilung von zwanzig Topspezialisten analysiert diese Risiken laufend, macht Verbesserungsvorschläge und überwacht deren Umsetzung.«
»Und trotzdem kann auf einen Schlag fast das gesamte Netz ausfallen«, unterbrach die Moderatorin mit einem aggressiven Unterton.
»Davon kann keine Rede sein. Die Unterbrechung betraf genau 32.6 Prozent des Netzes ...«
»Mehr als ein Drittel!«, rief die Moderatorin dazwischen. »Ein Drittel des Netzes, das die Metropolen San Francisco und Oakland komplett lahmlegte.«
»Niemand bedauert das mehr als wir, das dürfen Sie mir glauben, und ich und die ›CGO‹ entschuldigen uns auch in aller Form dafür. Ein so großer Teil des Netzes dürfte nicht auf einen Schlag ausfallen, da sind wir uns einig. Aber nochmals: Das Risiko eines solchen Ereignisses besteht immer, wenn auch die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist.«
»Groß genug, dass es eintritt«, kommentierte die Moderatorin trocken. »Lassen Sie uns über die Ursachen sprechen, Tim. Gibt es neue, gesicherte Erkenntnisse?«
»Zurzeit steht fest, dass der Ausfall nicht von den Stromlieferanten verursacht wurde. Die angeschlossenen Kraftwerke operierten während der fraglichen Zeit auf voller Leistung.«
Sofort unterbrach die Moderatorin: »Das bedeutet nichts anderes, als dass der Fehler allein in Ihrem Netz zu suchen ist, oder irre ich mich?«
»Das sehen Sie völlig richtig. Wie gesagt, wir bedauern diesen Vorfall außerordentlich und arbeiten rund um die Uhr an der Fehlersuche ...«
»Sie
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