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der darin badet und atmet, ein Leben spendet, das so lange währt, wie die Natur lebt. Doch gleich dir, o Holly, verschmähte es dieser Mann Noot, aus seinem Wissen Nutzen zu ziehen. ›Vom Übel‹, so sagte er, ›ist das Leben für den Menschen, denn der Mensch wird geboren, um zu sterben.‹ Deshalb vertraute er sein Geheimnis niemandem an; deshalb wählte er diese Höhle als Behausung, an welcher die das Leben Suchenden vorüberkommen mußten, und die Amahagger jener Zeit verehrten ihn als Heiligen und Eremiten. Und als ich in dieses Land kam – weißt du, Kallikrates, wie ich hierherkam? Ich will es dir ein andermal erzählen, es ist eine seltsame Geschichte –, damals also hörte ich von diesem Philosophen. Ich wartete auf ihn, als er seine Nahrung holte, und begleitete ihn, obwohl ich große Furcht hatte, die Schlucht zu überschreiten, hierher. Dann betörte ich ihn mit meiner Schönheit und meinem Witz und durch schmeichlerische Worte, so daß er mich schließlich hinabführte und mir die Geheimnisse des Feuers anvertraute, doch erlaubte er mir nicht, darin zu baden, und aus Furcht, er könnte mich erschlagen, gehorchte ich, zumal ich sah, daß er schon sehr alt war und bald sterben würde. Ich kehrte zurück, nachdem ich alles, was er von dem wunderbaren Weltgeist wußte, erfahren hatte, und das war viel, denn der Mann war weise und uralt und hatte durch Reinheit, Enthaltsamkeit und Betrachtung seines unschuldigen Geistes den Schleier zwischen dem uns Sichtbaren und den großen unsichtbaren Wahrheiten, deren leiser Flügelschlag zuweilen durch die grobe Luft des Irdischen zu uns dringt, nahezu zerrissen. Dann, wenige Tage später, traf ich dich, mein Kallikrates, der du mit der schönen Ägypterin Amenartas hierhergewandert warst, und ich lernte zum erstenmal, für immer und ewiglich, zu lieben, was mich bewog, mit dir an diesen Ort zu kommen und für dich und mich die Gabe des Lebens zu empfangen. So begaben wir uns gemeinsam mit der Ägypterin, die nicht von dir lassen wollte, hierher und entdeckten, daß der alte Noot gestorben war – wie es schien, noch gar nicht lange. Dort lag er, von seinem langen weißen Bart bedeckt«, und sie deutete auf eine Stelle neben mir, »doch sicherlich ist er indessen längst zu Staub zerfallen, und der Wind hat seine Asche fortgetragen.«
Ich streckte meine Hand aus und tastete im Staub herum, bis meine Finger plötzlich etwas berührten. Es war ein Menschenzahn, stark vergilbt, doch unversehrt. Ich hob ihn auf, zeigte ihn Ayesha. Lachend sagte sie:
»Ja, er ist ohne Zweifel von ihm. Siehe, was von Noot und von Noots Weisheit geblieben ist – ein kleiner Zahn! Das ganze Leben hätte er haben können und wollte es um seines Gewissens willen nicht. Dort lag er also, noch gar nicht lange tot, und wir stiegen dorthin hinab, wohin ich euch führen werde, und dann trat ich, all meinen Mut zusammennehmend und den Tod wagend, um die herrliche Krone des Lebens zu gewinnen, in die Flammen, und seht! Leben, wie ihr es niemals kennen werdet, bis auch ihr es fühlt, floß in mich, und ewig jung und schön über alle Maßen trat ich daraus hervor. Ich streckte meine Arme nach dir aus, Kallikrates, und bat dich, mich auf ewig zur Braut zu nehmen, doch du wandtest, als ich sprach, geblendet von meiner Schönheit, dich ab und legtest deine Arme um Amenartas' Hals. Da erfüllte mich wilder Zorn und raubte mir die Vernunft, und ich entriß dir deinen Speer und durchbohrte dich mit ihm, so daß du dort, vor meinen Füßen, am Ort des Lebens tot niedersankst. Ich wußte damals noch nicht, daß ich mit meinen Augen und der Kraft meines Willens töten kann, und erstach dich deshalb in meinem Zorn mit dem Speer. *
Ach, wie weinte ich, als du tot warst, daß ich die Gabe ewiger Jugend besaß. So sehr weinte ich dort am Ort des Lebens, daß mir sicherlich, wäre ich sterblich gewesen, das Herz gebrochen wäre. Und sie, die dunkelhäutige Ägypterin – sie verfluchte mich bei ihren Göttern. Bei Osiris verfluchte sie mich und bei Isis, bei Nephtys und bei Anubis, bei Sachmet, der Löwenhäuptigen, und bei Set; bei ihnen allen wünschte sie Böses auf mich herab, Böses und nie endende Einsamkeit. Ach, noch jetzt sehe ich ihr dunkles Gesicht wie eine Sturmwolke über mir dräuen, doch anhaben konnte sie mir nichts, und ich wußte nicht, ob ich sie vernichten konnte. Ich versuchte es nicht, mir lag damals nichts daran; und so trugen wir dich gemeinsam fort. Und später schickte ich sie –
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