Sie
die Ägypterin – hinweg durch die Sümpfe, und es scheint, sie blieb am Leben und gebar einen Sohn und schrieb die Geschichte nieder, die dich, ihren Gemahl, zurückführte zu mir, ihrer Rivalin und deiner Mörderin.
Dies war die Geschichte, mein Geliebter, und jetzt ist die Stunde da, die sie krönen soll. Wie alles auf Erden, besteht sie aus Bösem und aus Gutem – vielleicht mehr aus Bösem als aus Gutem –, und sie ist in blutigen Lettern geschrieben. Es ist die Wahrheit; ich habe dir nichts verschwiegen, Kallikrates. Und nun noch eins vor dem Augenblick deiner Prüfung. Wir begeben uns hinab in des Todes Gegenwart, denn Leben und Tod sind enge Nachbarn, und wer weiß, ob nicht etwas geschehen wird, das uns wiederum für Ewigkeiten trennt? Ich bin nur ein Weib, keine Prophetin, welche die Zukunft lesen kann. Doch eines weiß ich – ich erfuhr es aus dem Munde des weisen Mannes Noot –: daß mein Leben nur verlängert und von stärkerem Glanz erfüllt ist. Doch ewig währt mein Leben nicht. Deshalb, o Kallikrates, sage mir, bevor wir gehen, daß du mir wahrhaftig verzeihst und mich von Herzen liebst. Siehe, Kallikrates: ich tat viel Böses – vielleicht war es böse, vor zwei Nächten das Mädchen, das dich liebte, zu töten –, doch sie widersetzte sich mir und erfüllte mich mit Zorn, indem sie mir Unglück prophezeite, und deshalb erschlug ich sie. Sieh dich vor, wenn auch du die Macht erhältst, daß du nicht gleichfalls voll Zorn und Eifersucht tötest, denn unbesiegbare Kraft ist eine gefährliche Waffe in eines irrenden Menschen Hand. Ja, ich habe gesündigt – gesündigt dank der Bitternis einer großen Liebe –, aber dennoch kann ich das Gute vom Bösen unterscheiden, und mein Herz ist nicht ganz verhärtet. Deine Liebe, Kallikrates, soll das Tor meiner Erlösung sein, so wie vor Zeiten meine Leidenschaft der Pfad war, der mich zum Bösen führte. Denn tiefe, nicht erhörte Liebe ist die Hölle edler Herzen und die Mitgift der Verdammten; Liebe jedoch, die noch reiner von der Seele des Erwählten widergespiegelt wird, verleiht uns Flügel, die über uns Selbst uns erheben und zu dem machen, was wir sein können. Darum, Kallikrates, reiche mir deine Hand und lüfte meinen Schleier so furchtlos, als sei ich nur ein Bauernmädchen und nicht die weiseste und schönste Frau auf dieser weiten Welt, und sieh mir in die Augen und sage mir, daß du mir von ganzem Herzen vergibst und daß du mich von ganzem Herzen liebst.«
Sie hielt inne, und die seltsame Zärtlichkeit ihrer Stimme schien uns wie ein Vermächtnis zu umschweben. Ihr Klang rührte mich noch mehr als ihre Worte, so menschlich war er – so tief weiblich. Auch Leo war seltsam angerührt. Bisher war er wider sein besseres Urteil von ihr bestrickt gewesen, so wie ein Vogel von einer Schlange, doch nun schien all dies von ihm abzufallen, und er erkannte, daß er dieses seltsame und prächtige Geschöpf wahrhaftig liebte, so wie, ach, ich es liebte. Ich sah, wie seine Augen sich mit Tränen füllten, und dann trat er rasch zu ihr, hob den dünnen Schleier, ergriff ihre Hand und sagte, tief ihr in die Augen blickend:
»Ayesha, ich liebe dich von ganzem Herzen, und soweit dies in meiner Macht steht, vergebe ich dir Ustanes Tod. Was sonst gewesen ist, mußt du mit deinem Schöpfer abmachen; ich weiß nichts davon. Ich weiß nur, daß ich dich liebe, wie ich nie zuvor geliebt, und daß ich, mag es nah oder fern sein, bis zum Ende der Deine bleiben werde.«
»Nun«, erwiderte Ayesha in stolzer Demut, »da mein Gebieter so königlich spricht und mich so reich beglückt, will ich ihm in Worten nicht nachstehen und mich an Hochherzigkeit beschämen lassen. Siehe!« und sie nahm seine Hand und legte sie auf ihr schönes Haupt und sank langsam vor ihm nieder, bis ihr Knie einen Augenblick den Boden berührte, »siehe! zum Zeichen meiner Ergebenheit sinke ich vor meinem Herrn aufs Knie! Siehe!« und sie küßte ihn auf den Mund, »zum Zeichen meiner Liebe küsse ich meinen Herrn. Siehe!«, und sie legte ihre Hand auf sein Herz, »bei meiner Sünde, bei den Jahrhunderten der Einsamkeit und des Wartens, die sie tilgten, bei der großen Liebe, die mich erfüllt, und bei dem Ewigen Geist, der alles Leben zeugt und zu dem alles Leben wiederum zurückkehren muß – schwöre ich:
Ich schwöre in dieser ersten heiligsten Stunde erfüllter Weiblichkeit, daß ich dem Bösen entsagen und mich dem Guten verschreiben will. Ich schwöre, daß ich, geleitet von
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