Sie
geschickte und unermüdliche Krankenpflegerin erwies, Leo und Job zu betreuen. Die Luft war hier zum Glück warm und angenehm, und es gab so gut wie keine Moskitos. Außerdem befanden wir uns über dem Sumpfnebel, der zu unseren Füßen lag wie ein da und dort von Irrlichtern durchzucktes Dunstmeer.
Als der nächste Morgen anbrach, phantasierte Leo heftig und bildete sich ein, er sei in zwei Hälften gespalten. Ich machte mir schreckliche Sorgen und fragte mich voll Angst, wie dieser Anfall wohl ausgehen würde. Ich hatte nur gar zu oft davon gehört, wie solche Anfälle endeten! Während ich so bei Leo saß, kam Billali und sagte, wir müßten sofort weiter, vor allem Leos wegen, denn wenn dieser nicht innerhalb der nächsten zwölf Stunden an einen Ort gebracht würde, wo er Ruhe und die erforderliche Pflege fände, habe er möglicherweise nur noch zwei Tage zu leben. Ich konnte nicht umhin, ihm beizustimmen, und so legten wir Leo in seine Sänfte und brachen auf. Ustane ging neben ihm her, um die Fliegen zu verscheuchen und aufzupassen, daß er nicht herausfiel.
Ungefähr eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erreichten wir den Gipfel des ersten Hügels, und eine wunderschöne Aussicht bot sich uns. Vor uns lag ein fruchtbarer Landstrich mit üppigen Wiesen, Blumen und Bäumen. Dahinter, nach meiner Schätzung etwa achtzehn Meilen entfernt, ragte jäh aus der Ebene ein merkwürdiger, gewaltiger Berg empor. Den Fuß dieses Berges bildete ein grasbedeckter Abhang, der etwa fünfhundert Fuß hoch sein mochte, und aus diesem ragte schroff und steil eine zwölf- bis fünfzehnhundert Fuß hohe nackte Felswand auf. Der Berg, unzweifelhaft vulkanischen Ursprungs, war nahezu rund, doch da für uns natürlich nur ein Abschnitt sichtbar war, ließ sich sein Umfang, der gewaltig sein mußte, nur schwer abschätzen. Später stellte ich fest, daß er eine Fläche von nicht weniger als fünfzig Quadratmeilen bedeckte. Etwas Großartigeres und Imposanteres als diese riesige natürliche Festung, die einsam und erhaben aus der Ebene emporragte, habe ich nie gesehen. Die Einsamkeit erhöhte noch den majestätischen Eindruck, und ihre hochaufragenden, in Wolken gehüllten Zinnen schienen den Himmel zu berühren.
Ich richtete mich in meiner Sänfte auf und starrte über die Ebene hinweg auf dieses imposante, majestätische Bild, und anscheinend bemerkte dies Billali, denn seine Sänfte tauchte sogleich neben mir auf.
»Das, mein Sohn, ist der Palast unserer Herrscherin ›Sie‹!« sagte er. »Welche Königin hat je einen solchen Thron besessen?«
»Er ist wunderbar, mein Vater«, erwiderte ich. »Aber wie kommen wir da hinein? Es dürfte sehr schwer sein, diese Felsen zu ersteigen.«
»Warte nur ab, mein Pavian. Schau einmal auf diesen Weg dort unten. Was, glaubst du, ist das? Du bist doch ein weiser Mann. Komm, sage es mir.«
Ich blickte hinunter und sah eine Art mit Gras bedeckter Landstraße, die direkt auf den Fuß des Berges zuführte. Zu ihren beiden Seiten erhoben sich hohe, da und dort unterbrochene Erdwälle, deren Zweck ich nicht erkennen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, aus welchem Grund man eine Landstraße eingedämmt hatte.
»Ich nehme an, mein Vater, daß es eine Straße ist«, sagte ich, »oder sollte es ein Flußbett sein? Nein«, fügte ich hinzu, denn mir fiel die schnurgerade Richtung auf, »eher ein Kanal.«
Billali, dem übrigens sein unfreiwilliges Bad am Tag zuvor nicht geschadet hatte, nickte weise und erwiderte:
»Ganz recht, mein Sohn. Es ist ein Kanal, den die früheren Bewohner dieses Landes gegraben haben, um Wasser abzuleiten. Innerhalb des kreisrunden Berges, der unser Ziel ist, befand sich einst ein großer See. Die Menschen, die hier lebten, trieben mittels wunderbarer Künste, von denen ich nichts weiß, einen Abfluß durch die Felswand hindurch bis auf den Grund des Sees. Doch zuvor gruben sie diesen Kanal, den du dort siehst, durch die Ebene. Als dann das Wasser heraussprang, strömte es durch den Kanal bis zu dem flachen Land hinter dem Hügel, und auf diese Weise entstand wahrscheinlich der Sumpf, welchen wir durchquert haben. Als der See trockengelegt war, bauten sie auf seinem Grund eine mächtige Stadt, von der heute nur noch Ruinen und der Name Kôr übrig sind, und nach und nach, im Laufe vieler Menschenalter, schlugen sie aus dem Felsen jene Höhlen und Gänge heraus, die du sehen wirst.«
»Mag sein«, erwiderte ich, »doch wenn es stimmt, wie kommt es dann, daß Regen
Weitere Kostenlose Bücher