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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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dort finden.
    Möge sie selbst dort mich vernehmen. Möge sie sich in der Finsternis verbergen.
    Möge sie in den Abgrund der Verzweiflung stürzen, denn eines Tages werde ich sie finden.«
    Wieder fiel die Flamme, und wieder schlug sie die Hände vor die Augen.
    »Ach, es ist sinnlos, sinnlos«, schluchzte sie. »Wer kann denn jene erreichen, die schlafen? Nicht einmal ich kann es.«
    Und dann begann sie wieder mit ihrem schrecklichen Ritus.
    »Fluch über sie, wenn sie noch einmal geboren werden sollte. Möge sie verflucht geboren werden.
    Möge sie zutiefst verflucht sein von der Stunde ihrer Geburt, bis der Schlaf sie findet.
    Ja, verflucht möge sie sein; denn dann wird meine Rache sie erreichen und gänzlich vernichten.«
    Und so ging es weiter. Die Flamme stieg und fiel und spiegelte sich in ihren qualvollen Augen; das Zischen ihrer furchtbaren Verwünschungen rollte die Wände entlang und erstarb, immer leiser widerhallend, und abwechselnd fielen grelles Licht und tiefer Schatten auf die unheimliche weiße Gestalt, die auf der Bahre lag.
    Schließlich jedoch schien sie erschöpft und hielt inne. Sie setzte sich auf den steinigen Boden nieder, ließ die Woge ihres schönen Haares über Gesicht und Brust fallen und verfiel in herzzerreißendes, verzweifeltes Schluchzen.
    »Zweitausend Jahre«, stöhnte sie, »zweitausend Jahre habe ich gewartet und ausgeharrt; doch obgleich Jahrhundert in Jahrhundert fließt und Zeit um Zeit verstreicht, hat doch der Schmerz der Erinnerung nicht nachgelassen, und das Licht der Hoffnung wird nicht heller. Oh, zweitausend Jahre habe ich gelebt, und stets fraß die Leidenschaft an meinem Herz, stets stand die Sünde vor meinen Augen. Oh, daß das Leben mir nicht Vergessen bringen kann! Oh, über all die trostlosen Jahre, die gewesen sind und noch kommen werden und immer wieder kommen, ewig und ohne Ende!
    Mein Geliebter! Mein Geliebter! Mein Geliebter! Warum mußte dieser Fremdling mich an dich erinnern? Fünfhundert Jahre habe ich nicht so gelitten. Oh, wenn ich mich an dir versündigt habe, löschte ich die Sünde denn nicht aus? Wann wirst du zurückkehren zu mir, die alles hat und ohne dich doch nichts hat? Was kann ich tun? Was? Was? Was? Und vielleicht weilt sie, die Ägypterin, bei dir, dort, wo du bist, und spottet meines Andenkens. Oh, warum konnte ich nicht mit dir sterben, ich, die dich tötete? Ach, daß ich nicht sterben kann! Ach! Ach!« Und sie warf sich der Länge nach auf den Boden und schluchzte und weinte, bis ich dachte, das Herz müsse ihr brechen.
    Plötzlich verstummte sie, erhob sich, ordnete ihr Gewand und stürzte, ihre langen Locken ungeduldig zurückwerfend, zu der Gestalt, die auf der steinernen Bahre lag.
    »O Kallikrates!« rief sie, und ich erbebte bei dem Namen. »Ich muß wieder dein Gesicht schauen, so schmerzvoll es auch für mich sein mag. Ein Menschenalter ist es her, seit ich dich, den ich erschlug, ja, mit meiner Hand erschlug, zuletzt anblickte«, und mit zitternden Fingern ergriff sie den Saum des Tuches, das die Gestalt umhüllte, und hielt dann inne. Als sie wieder sprach, tat sie es in einem furchtsamen Flüstern, als sei selbst ihr der Gedanke allzu schrecklich.
    »Soll ich dich erwecken«, sagte sie, offenbar den Toten anredend, »auf daß du wieder vor mir stehst wie einst? Ich kann es tun«, und sie hielt ihre Hände über den umhüllten Leichnam, und eine schrecklich anzusehende Starre befiel ihren ganzen Körper, und ihre Augen wurden trüb und leblos. Ich zuckte entsetzt hinter dem Vorhang zusammen, und die Haare sträubten sich mir auf dem Kopf, und – ich weiß nicht, war es Einbildung oder Wirklichkeit – es schien mir, als erbebe die reglose Gestalt unter dem Tuche, als rege sich dieses wie auf der Brust eines Schlafenden. Plötzlich zog sie die Hände zurück, und mir war, als höre der Leichnam auf, sich zu bewegen.
    »Was soll's?« sagte sie düster. »Was nützt es, die irdische Hülle ins Leben zurückzurufen, wenn nicht der Geist wiedererweckt werden kann? Selbst wenn du vor mir stündest, würdest du mich nicht kennen und könntest nur tun, was ich dir befehle. Das Leben in dir wäre mein Leben, und nicht das deine, Kallikrates.«
    Einen Augenblick stand sie sinnend da, dann sank sie neben der Gestalt auf die Knie, drückte ihre Lippen auf das Tuch und weinte. Es war so schrecklich anzusehen, wie diese furchteinflößende Frau sich ihrer Leidenschaft zu dem Toten hingab – so viel schrecklicher als alles, was bisher

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