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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Frivolitäten; doch wie sich bald herausstellen sollte, hatte ein Amahagger-Tanz mit solchen Festlichkeiten in anderen Ländern, ob wild oder zivilisiert, nur wenig gemein. Als wir uns dann zurückziehen wollten, fragte sie Leo, ob er nicht Lust habe, einige von den Wundern der Höhlen kennenzulernen, und als er freudig zustimmte, brachen wir, begleitet von Job und Billali, auf. Eine Schilderung dieses Besuches würde zum großen Teil lediglich eine Wiederholung des bereits Gesagten bedeuten, wenngleich die Gräber, die wir besichtigten, von einer anderen Art waren, da der ganze Felsen von ihnen durchsetzt war wie ein Bienenstock von Waben. * Danach begaben wir uns zu der Knochenpyramide, die mich Vergangene Nacht im Schlaf verfolgt hatte, und von dort durch einen langen Gang zu einem der großen Gewölbe, in denen die Leichen der ärmeren Bürger des kaiserlichen Kôr bestattet waren. Diese waren nicht annähernd so gut erhalten wie die der Reichen. Viele trugen kein Totengewand, und überdies lagen von ihnen zwischen fünfhundert und tausend in einem einzigen großen Gewölbe, zum Teil hoch aufeinandergetürmt wie ein Haufen Erschlagener.
    Dieser erstaunliche, unvergleichliche Anblick erregte bei Leo natürlich stärkstes Interesse und stachelte seine Phantasie an. Dem armen Job hingegen gefiel er gar nicht. Seine durch unsere vorangegangenen Erlebnisse bereits arg in Mitleidenschaft gezogenen Nerven wurden, wie man sich denken kann, durch diese Massen dahingeschiedener Menschen noch mehr zerrüttet, und es beruhigte ihn auch nicht, als ihm der alte Billali beschwichtigend sagte, er solle diese Toten doch nicht fürchten, denn nur allzubald würde doch auch er einer von ihnen sein.
    »Es ist wirklich nicht schön, einem so etwas zu sagen«, rief er, als ich ihm Billalis Bemerkung übersetzte; »aber was kann man von einem alten Kannibalen schon anderes erwarten? Doch eigentlich hat er ja nicht ganz unrecht«, fügte er seufzend hinzu.
    Nach der Besichtigung der Höhlen kehrten wir zurück und verzehrten unsere Mahlzeit, denn es war vier Uhr nachmittags, und wir alle waren hungrig und müde – besonders Leo. Um sechs Uhr begaben wir uns zusammen mit Job zu Ayesha, die unseren armen Diener noch mehr verängstigte, indem sie ihm auf dem Wasser in dem beckenärtigen Gefäß Bilder zeigte. Als ich ihr erzählte, daß er sechzehn Geschwister hatte, forderte sie ihn auf, sich all seine Brüder und Schwestern im Geiste daheim in der väterlichen Hütte vorzustellen. Dann befahl sie ihm, ins Wasser zu blicken, und auf seiner Oberfläche zeigte sich das längst vergangene Bild, dessen Job sich erinnerte. Einige der Gesichter waren ganz deutlich, andere bloße Schatten und Flecken oder in einigen Zügen stark übertrieben, was davon kam, daß Job sich in diesen Fällen des Äußeren der betreffenden Personen nicht mehr genau entsann oder nur einen bestimmten Zug im Gedächtnis behalten hatte, und das Wasser konnte nur widerspiegeln, was er vor seinem geistigen Auge sah. Man darf nicht vergessen, daß Ayeshas Macht in dieser Hinsicht sehr begrenzt war; offenbar konnte sie nur, von seltenen Fällen abgesehen, auf das Wasser projizieren, was eine der anwesenden Personen sich innerlich vorstellte, und auch dies nur mit deren Willen. War sie jedoch mit einer Örtlichkeit persönlich vertraut, so konnte sie, wie sie dies mit uns und dem Walboot getan hatte, deren Bild sowie das, was zu dieser Zeit dort geschah, auf dem Wasser erscheinen lassen. Diese Macht erstreckte sich jedoch nicht auf die Vorstellungen anderer. So konnte sie mir, zum Beispiel, das Innere der Collegekapelle so zeigen, wie ich es im Gedächtnis hatte, jedoch nicht so, wie es im gleichen Augenblick war; denn in bezug auf andere Personen war ihre Macht strikt auf die Tatsache oder Erinnerungen beschränkt, die in deren Bewußtsein im gleichen Augenblick gegenwärtig waren. So war denn auch, als wir ihr zu ihrer Unterhaltung die Bilder bekannter Baulichkeiten, wie etwa der St. Pauls-Kathedrale oder des Parlamentsgebäudes, zu zeigen versuchten, das Ergebnis höchst unvollkommen; denn wir konnten uns natürlich ihr Aussehen im großen und ganzen gut vorstellen, waren jedoch nicht imstande, uns die architektonischen Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen, und dadurch mangelte es dem Bild an der erwünschten Genauigkeit. Es war uns nicht möglich, Job dies begreiflich zu machen, und da er nicht dazu bewogen werden konnte, eine natürliche Erklärung für den Vorgang zu

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