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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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gering werden vielleicht die emsigen Nachkommen, die wir zeugen, uns schätzen, von denen viele, weit davon entfernt, unser ehrfürchtig zu gedenken, uns dafür verfluchen werden, daß wir sie in dieses irdische Jammertal setzten.
    Abgesehen von der moralischen hatte dieses schaurigschöne Schauspiel freilich auch eine physische Seite. Jene alten Bürger von Kôr brannten ebenso lustig, wie sie, nach ihren Skulpturen und Inschriften zu urteilen, gelebt hatten, und es herrschte, was auch erwähnt werden muß, kein Mangel an ihnen. Sowie eine Mumie bis auf die Fußknöcheln niedergebrannt war, nach etwa zwanzig Minuten, stieß man die Füße weg und legte eine andere an ihren Platz. Auf ebenso großzügige Weise wurde der Scheiterhaufen mit neuer Nahrung versorgt, dessen Flammen zischend und knatternd zwanzig oder dreißig Fuß hoch emporschossen und das Dunkel, durch welches die schwarzen Gestalten der Amahagger hin und her huschten wie Teufel, weithin erhellten. Entgeistert standen wir da und starrten – entsetzt und doch gebannt – auf dieses seltsame Schauspiel, und es hätte uns nicht gewundert, wenn die Geister der lodernden Toten aus den Schatten hervorgekrochen wären, um sich an diesen Frevlern zu rächen.
    »Ich habe dir einen seltsamen Anblick versprochen, mein Holly«, sagte lachend Ayesha, die allein völlig ungerührt schien. »Siehst du, ich habe Wort gehalten. Man kann jedoch auch eine Lehre daraus ziehen. Baue nicht auf die Zukunft, denn wer weiß, was die Zukunft bringen mag! Genieße darum den Tag und strebe nicht, dem Staub zu entrinnen, der des Menschen Ende zu sein scheint. Was, glaubst du, würden jene längst vergessenen edlen Herren und Damen gefühlt haben, hätten sie gewußt, daß ihre anmutigen Körper dereinst brennen würden, um dem Tanz von Wilden zu leuchten? Doch seht, dort kommen die Tänzer; ein lustiges Völkchen, nicht wahr? Die Bühne ist beleuchtet, nun mag das Spiel beginnen.«
    Während sie sprach, sahen wir, wie zwei Reihen von Gestalten, die einen Männer, die anderen Frauen, nur mit den üblichen Leoparden- und Hirschfellen bekleidet, um den Scheiterhaufen aus Menschenleibern zogen. Sie gruppierten sich in tiefem Schweigen zu zwei Reihen, so daß sie zwischen uns und dem Feuer einander gegenüberstanden, und dann begann der Tanz – eine Art infernalischen Cancans. Ihn zu beschreiben, ist völlig unmöglich, doch schien es uns, trotz allen Beinewerfens und Herumgeschiebes, eher ein Spiel denn ein Tanz zu sein, und wie alles bei diesen schrecklichen Menschen, deren Seelen die Farbe der Höhlen, in denen sie leben, angenommen zu haben scheinen und deren Scherze und Belustigungen den unerschöpflichen Vorratskammern mumifizierter Toter entstammen, mit denen sie zusammen hausen, war sein Thema überaus unheimlich. Er stellte, soviel ich begriff, zuerst einen Mordversuch dar, dessen Opfer sodann lebendig begraben werden sollte und dem Grab zu entrinnen suchte. Den Abschluß eines jeden Aktes dieses schaurigen Dramas, das in tiefstem Schweigen vorgeführt wurde, bildete ein wilder und höchst widerlicher Tanz um das Opfer, das sich im roten Schein des Feuers am Boden wälzte.
    Plötzlich jedoch wurde dieses hübsche Stück unterbrochen. Eine leise Unruhe entstand, und ein großes kräftiges Weib, welches mir als eine der leidenschaftlichsten Tänzerinnen aufgefallen war, taumelte, trunken von gottloser Ekstase, auf uns zu und kreischte:
    »Ich möchte eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben, bringt mir eine schwarze Ziege!«, und dann stürzte sie, Schaum vor dem Mund, unter gräßlichen Zuckungen und schreiend nach einer schwarzen Ziege verlangend, vor uns nieder – das abscheulichste Schauspiel, das man sich denken kann.
    Sogleich umringten sie die meisten Tänzer, und nur einige blieben im Hintergrund und schlugen weiter ihre Kapriolen.
    »Der Teufel ist in sie gefahren«, rief einer von ihnen. »Schnell, holt eine schwarze Ziege. Still, Teufel, still, ganz still! Gleich wird man dir die Ziege bringen. Man holt sie schon, Teufel.«
    »Ich will eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben!« kreischte wieder das sich auf dem Boden wälzende Weib.
    »Schon gut, Teufel, die Ziege wird gleich da sein, sei still. Teufel, sei brav!«
    Und so ging es fort, bis die Ziege, aus einem Nachbarkraal geholt, endlich eintraf und man das meckernde Tier an den Hörnern zu ihr zerrte.
    »Ist es eine schwarze, ist es eine schwarze?« schrie die Besessene.
    »Ja, ja,

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