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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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wissen. Es macht einfach Spaß zu sehen, was passieren wird; es ist ein Abenteuer!
    Der andere kriegt's mit der Angst, deshalb sagt er nein. Also bringe ich die beiden Mädchen in einem Taxi zu dem Hotel und entdecke, daß da ein Tanzabend stattfindet, den die Taubstummen veranstaltet haben, ob man's glaubt oder nicht. Sie gehören alle zu einem Club. Wie sich herausstellt, können viele von ihnen genug von dem Rhythmus spüren, um zu der Musik zu tanzen und am Ende jeder Nummer der Band zu applaudieren.
    Es war sehr, sehr interessant! Ich kam mir vor, als wäre ich in einem fremden Land und könnte die Sprache nicht sprechen: Ich konnte sprechen, aber niemand konnte mich hören. Alle unterhielten sich mit Zeichen, und ich konnte nichts verstehen! Ich bat mein Mädchen, mir einige Zeichen beizubringen, und ich lernte ein paar, wie man eine Fremdsprache lernt, nur so zum Spaß.
    Alle waren so glücklich und gingen so locker miteinander um, machten Spaße und lächelten die ganze Zeit; sie schienen eigentlich überhaupt keine Schwierigkeiten zu haben, sich einander mitzuteilen. Es war genauso wie bei jeder anderen Sprache, abgesehen von dem einen: während sie sich gegenseitig Zeichen machten, drehten sie dauernd ihre Köpfe hin und her. Mir war klar, woran das lag. Wenn jemand eine Bemerkung zur Seite hin machen oder einen unterbrechen will, kann er ja nicht »He, Jack!« rufen. Er kann nur ein Zeichen machen, was man nicht bemerken würde, wenn man es nicht gewohnt wäre, die ganze Zeit umherzuschauen.
    Sie fühlten sich vollkommen wohl miteinander. Es war mein Problem, mich auch wohl zu fühlen. Das war eine wunderbare Erfahrung.
    Der Tanzabend dauerte sehr lange, und als er zu Ende war, gingen wir in eine Cafeteria. Sie gaben alle ihre Bestellungen auf, indem sie auf die Dinge zeigten. Ich erinnere mich, wie jemand mit Zeichen fragte: »Wo kommst du her?« und daß mein Mädchen buchstabierte: »N-e-w Y-o-r-k«. Ich kann mich auch noch daran erinnern, daß mir ein Typ das Zeichen für »Feiner Kerl!« machte - er hält seinen Daumen hoch und berührt dann einen imaginären Rockaufschlag als Zeichen für »Kerl«. Es ist ein gutes System.
    Alle saßen zusammen, machten Spaße und bezogen mich sehr freundlich in ihre Welt mit ein. Ich wollte mir eine Flasche Milch kaufen, deshalb ging ich an die Theke und formte mit dem Mund das Wort »Milch«, ohne einen Ton zu sagen.
    Der Bursche hinter der Theke verstand nicht.
    Ich machte das Zeichen für »Milch«, bei dem man zwei Fäuste bewegt, als wollte man eine Kuh melken, und das kapierte er ebensowenig.
    Ich versuchte auf das Schild zu zeigen, auf dem stand, was die Milch kostete, aber er kriegte es immer noch nicht mit.
    Schließlich bestellte jemand anders neben mir Milch, und ich zeigte darauf.
    »Oh! Milch!« sagte er, und ich nickte.
    Er reichte mir die Flasche, und ich sagte: »Vielen Dank!«
    »Du SCHLAWINER!« sagte er und lachte.
    Als ich am MIT war, spielte ich den Leuten gern Streiche. Einmal, als wir technisches Zeichnen hatten, nahm ein Spaßvogel ein Kurvenlineal und sagte: »Ich möchte wissen, ob die Kurven an diesem Ding 'ne besondere Formel haben?«
    Ich überlegte einen Moment und sagte: »Na sicher. Die Kurven sind ganz besondere Kurven. Paß auf, ich zeig's dir.« Und ich nahm ein Kurvenlineal und fing an, es langsam zu drehen. »Das Kurvenlineal ist so gemacht, daß am niedrigsten Punkt jeder Kurve, ganz gleich, wie man sie dreht, die Tangente horizontal ist.«
    Alle in der Klasse hielten in unterschiedlichen Winkeln ihre Kurvenlineale hoch, hielten am niedrigsten Punkt ihren Bleistift daran, legten ihn an und entdeckten, daß die Tangente tatsächlich horizontal ist. Sie waren alle von dieser »Entdeckung« begeistert, obwohl sie alle schon eine gewisse Menge Analysis hinter sich hatten und bereits »gelernt« hatten, daß die Ableitung (Tangente) des kleinsten Absolutwerts (des niedrigsten Punktes) jeder Kurve gleich Null (das heißt horizontal) ist. Sie konnten nicht zwei und zwei zusammenzählen. Sie wußten nicht einmal, was sie »wußten«.
    Ich weiß nicht, was mit den Leuten los ist: sie lernen nicht durch Verstehen; sie lernen irgendwie anders - durch Auswendiglernen oder so. Ihr Wissen ist so leicht zu erschüttern!
    Den gleichen Streich spielte ich vier Jahre später in Princeton, als ich mit jemandem sprach, der Erfahrung hatte, einem Assistenten von Einstein, der bestimmt dauernd mit der Gravitation zu tun hatte. Ich stellte ihm eine

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