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'Sie können aber gut Deutsch'

'Sie können aber gut Deutsch'

Titel: 'Sie können aber gut Deutsch' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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Gönnerhaftigkeit mitschwingt. Mensch, bin ich nicht wunderbar politisch korrekt, dass ich mir so einen schönen Namen für dich ausgedacht habe?

    Vielen herzlichen Dank!
    Wie sieht er aus, so ein Migrationshintergrund? Assoziationen sind eine sonderbare, aus psychoanalytischer Sicht höchst spannende Angelegenheit, als Autorin denke ich viel darüber nach. Einmal sagte jemand mit (einem türkischen) Migrationshintergrund zu mir: »Bei Multikulti denke ich immer an Multivitaminsaft.« Ich war mir noch nicht sicher, ob ein tieferer Sinn hinter diesem Satz steckte, bevor mir eine andere Assoziation in den Sinn kam: »Ich hasse Multivitaminsaft.« Bei Migrationshintergrund denke ich jedenfalls als Erstes an etwas, das hinter mir ist, also einen Hintergrund bildet. Und da ich ja aus der ehemaligen Sowjetunion stamme, stelle ich mir den eigenen immer als eine sowjetische Flagge vor. Rot, groß, im Wind wehend, darauf Hammer und Sichel in einem golden schimmernden Gelb. Stelle ich mir diese Fahne als meinen Hintergrund vor, überkommt mich plötzlich das Bedürfnis, mich aufzurichten, meinen Rücken durchzudrücken und die sowjetische Hymne anzustimmen: »Союз нерушимый республик свободных cплотила навеки Великая Русь …« (»die unzerbrechliche Union der freien Republiken vereinigte für die Ewigkeit die große Rus’«). So, als wäre ich wieder dabei, in der sowjetischen Grundschule mit vor Stolz geschwellter Brust als Oktjabrjönok, der Vorstufe zum Pionier, vereidigt zu werden. Aber ist tatsächlich diese Fahne gemeint, wenn von meinem Migrationshintergrund die Rede ist? Und soll das etwa derselbe Hintergrund sein wie der, den ein 63-jähriger Flüchtling aus Somalia mitgebracht hat? Und wie sieht der eines Jungen aus, dessen Großeltern in den sechziger Jahren aus Italien zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, der kein Wort Italienisch spricht, sondern eher Berlinerisch als Hochdeutsch?
    Unsere Hintergründe sind Collagen, die aus Fetzen unseres
Lebens, Schnappschüssen, Geräuschen, Erinnerungen, Songtexten, Bildern bestehen. Sie sind bunt und unterschiedlich und oft nur für uns selbst zu verstehen. Es gibt nicht einen Migrationshintergrund, nicht eine Collage, die auf mehrere Menschen zutreffen würden, selbst wenn diese aus demselben Land ausgewandert sind. Wie aber soll er aussehen, unser, dieser angeblich gemeinsame, Migrationshintergrund? Eine durchgestrichene deutsche Fahne? Und was für eine Aussage wäre das dann? Ätschi-bätschi, Du bist nicht schon seit Generationen deutsch, reih Dich bei denen mit dem Migrationshintergrund ein!
    Ein Begriff, der auf eine so extreme Weise pauschalisiert, ist eine Erniedrigung. Was man auch daran sieht, dass ich noch nie jemanden mit Migrationshintergrund kennengelernt habe (Sie etwa?), der sich selbst so beschrieben hätte: »Hi, freut mich dich kennenzulernen! Ich bin der Abdullah, ich habe einen Migrationshintergrund.«
    Die »Karrieristen«, die Aufsteiger unter uns »Migrationshintergründlern«, erkennt man am deutschen Pass. Wir steigen auf – aufgrund der Anzahl unserer hier verbrachten Lebensjahre, aufgrund unserer Sprachkenntnisse, unserer Arbeitsamkeit (und unserer Steuerzahlsamkeit), aufgrund der Fähigkeit, den 300 Fragen langen Einbürgerungstest zu bestehen, an dem viele »Biodeutsche« scheitern würden, aufgrund unseres offenen Bekenntnisses »zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland«. Wir steigen auf, indem wir zum Beispiel Fragen beantworten wie die, was man unter »Freizügigkeit« in Deutschland versteht, oder die, welche Organe zu den Verfassungsorganen in Deutschland gehören, oder die, was in einer deutschen »Hausordnung« steht. Wir steigen auf, indem wir unter anderem auf dem zehn Seiten langen, klein bedruckten
Einbürgerungsformular fein säuberlich, ordnungsgemäß und selbstverständlich grundehrlich ankreuzen, dass wir keiner radikalen Organisation angehören, auch der LINKEN nicht. Bei jeder einzelnen: ein Nein-Kreuz. Und dann sind wir Deutsche, deutsche Staatsbürger zumindest, und unsere Prämie: der deutsche Pass. Im Sprachgebrauch sind und bleiben wir aber: Deutsche mit Migrationshintergrund, was auch heißt: schon Deutscher, aber eben doch nicht ganz. Was auch heißt: So brav warst du, du Nicht-Deutscher, dass wir dir die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen haben. Verliehen wie einen Orden, vielen herzlichen

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