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'Sie können aber gut Deutsch'

'Sie können aber gut Deutsch'

Titel: 'Sie können aber gut Deutsch' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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in der Wohnung nebenan. Dies ist Realität, und akzeptiert man diese, dann machen einem die direkten Nachbarn auch weniger Angst. Dann muss man einsehen, dass es ein richtiges Leben genauso wenig gibt wie ein falsches, außer für einen persönlich. Dass es nicht den einen einzigen Weg der Integration oder der Assimilation (Assimilation an wen? an mich oder an meinen Nachbarn, der mit seinem Facebook-Freund in Indien mehr gemeinsam hat als mit mir) geben kann. Über Assimilations- oder Integrationsforderungen sind wir bereits hinaus. Wenn wir das akzeptieren, dann können wir in einer offenen Gesellschaft leben, die deshalb tatsächlich eine offene ist, weil sie keine Begriffe mehr dafür braucht, wie Menschen sich eingliedern müssen, was sie alles dafür tun müssen, um hineinzupassen.
    In dieser wirklich offenen Gesellschaft, in diesem Deutschland, würden WIR leben, ein WIR, in dem das »Wir« und »Ihr« von heute zusammenkommen und miteinander leben, ohne einander zu stören, ohne einander die Zugehörigkeit abzusprechen.
    In diesem Deutschland müsste sich keiner entscheiden, ob er jetzt beispielsweise Deutsch-Türke, türkischer Deutscher, Deutscher oder Türke, Deutschmuslim, jemand mit einem muslimischen Hintergrund oder eine andere Wortzusammensetzung
sein will, weil er einfach in erster Linie ein Mensch wäre, der in Deutschland lebt und dazugehört. Diese Zugehörigkeit würde von niemandem in Abrede gestellt werden, nur, weil man aus einem anderen Land stammt oder dieses manchmal noch gerne besucht, weil man auch noch eine andere Sprache als Deutsch spricht oder Deutsch nicht perfekt. Vor ein paar Wochen telefonierte ich mit einem Arzt, den ich um eine Empfehlung für einen anderen Arzt bat. Er nannte mir einen Namen und meinte, hinzufügen zu müssen: »Sie ist Koreanerin, aber sie spricht sehr gut Deutsch.«
    Zu diesem Deutschland würden und wollen und sollen und müssen und werden viele unterschiedliche Menschen beitragen, sie werden es mitgestalten, sie werden es spannend machen, sie werden es reicher machen, reicher nicht (nur) im monetären Sinne, sondern im Sinne von: Bereicherung. Eine Bereicherung werden sie sein, weil sie so unterschiedlich sind, nicht obwohl.
    Es wäre ein Deutschland, das keine Integrationspreise vergeben müsste, weil es keine Integration gäbe, weil es ein WIR-Deutschland gäbe ohne Integration.
    Ich schreibe »wäre« und »gäbe«, nicht, weil ich denke, dass ein solches Deutschland erst aufgebaut werden muss, dass wir uns noch viel Zeit dafür nehmen müssen, sondern, weil ich glaube, dass der Prozess der Erkenntnis, der Erkenntnis darüber, dass wir schon in einem WIR-Deutschland leben, nicht abgeschlossen ist. Dass viele in diesem Land, ganz platt gesagt, ihre Augen nicht aufmachen. Dass sie nicht bereit sind, die Situation in diesem Land ganz unaufgeregt, ohne jede Überspitzung und Angst zu betrachten. Würden sie das tun, würden sie feststellen: Es klappt doch eigentlich alles ganz gut. Jetzt schon. Es kann vielleicht noch besser werden, aber es ist auch jetzt schon gut. Das kann man auch an
Zahlen ablesen, zum Beispiel an der der Abiturienten mit türkischem Hintergrund, der der binationalen Ehen, sogar der der Einbürgerungen, die allesamt stetig steigen. Man muss sich aber gar nicht unbedingt mit Zahlen und Statistiken beschäftigen, man muss sich nur umschauen in unserem »deutschen« Alltag. Deutschland hat sich verändert, es verändert sich und – eine Zukunftsprognose – wird sich noch weiter verändern. Wir alle werden uns verändern, wir alle müssen uns verändern; dies hat mit den Ansprüchen zu tun, die die globalisierte Welt an uns stellt. Unser Verständnis von »deutsch«, unser Verständnis von »Alltag«, von »Kommunikation« wird sich weiter verändern, und wir werden alle dazulernen müssen. Die Neuzuwanderer genauso wie diejenigen, die vor 30 Jahren hier angekommen sind, aber ebenso auch diejenigen, deren Familie in der achten Generation in demselben westfälischen Dorf lebt. Wer diese Veränderungen nicht wahrnimmt, wer sich gegen sie stemmt, sich nicht ändert, die Realität nicht akzeptiert, wird außen vor bleiben. Das gilt auch für diejenigen, die meinen, hierherziehen und ihr altes Leben komplett so wieder aufbauen zu können, wie sie es in ihrer Heimat kurz vor der Abreise abgebaut haben. Auch sie müssen bereit sein zu lernen, sich zu verändern. Sonst bleiben auch sie außen vor.
    Wir müssen uns dafür nicht ein Beispiel an

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