"Sie koennen aber gut Deutsch!"
globalisierte Welt an uns stellt. Unser Verständnis von »deutsch«, unser Verständnis von »Alltag«, von »Kommunikation« wird sich weiter verändern, und wir werden alle dazulernen müssen. Die Neuzuwanderer genauso wie diejenigen, die vor 30 Jahren hier angekommen sind, aber ebenso auch diejenigen, deren Familie in der achten Generation in demselben westfälischen Dorf lebt. Wer diese Veränderungen nicht wahrnimmt, wer sich gegen sie stemmt, sich nicht ändert, die Realität nicht akzeptiert, wird auÃen vor bleiben. Das gilt auch für diejenigen, die meinen, hierherziehen und ihr altes Leben komplett so wieder aufbauen zu können, wie sie es in ihrer Heimat kurz vor der Abreise abgebaut haben. Auch sie müssen bereit sein zu lernen, sich zu verändern. Sonst bleiben auch sie auÃen vor.
Wir müssen uns dafür nicht ein Beispiel an Einwanderungsländern wie den USA oder Kanada nehmen, das schaffen wir aus eigener Kraft. Wir schaffen es auf eine eigene, unsere »deutsche« Weise, und zwar in dem Moment, in dem wir aufhören, Vergleiche zu ziehen, und stattdessen die reelle Situation hier bei uns, vor Ort, betrachten. Und uns an ihr freuen.
Es geht nicht um Integration, es geht um Teilhabe. Ich bin heilfroh, in einem demokratischen Staat zu leben, weil ich es
auch anders kennengelernt habe. Ich bin glücklich, in Deutschland zu leben. Ich habe an diesem Land teil.
Laut der Definition des Statistischen Bundesamtes haben meine Kinder einen Migrationshintergrund, weil ich einen habe. Mein »groÃer« Sohn ist anderthalb Jahre alt und ahnt noch nichts davon. Er kennt diesen Begriff nicht, er könnte ihn auch noch gar nicht aussprechen. Er findet aber Menschen spannend. Er findet sie spannend, sympathisch, nett, manchmal auch beängstigend, er urteilt als Anderthalbjähriger dabei selbstverständlich nicht nach der Herkunft, niemals nach dem Status »mit« oder »ohne« Migrationshintergrund. Menschen mit einer anderen Hautfarbe, mit einer ihm fremden Bekleidung, mit einem unbekannten Aussehen, auch mit einer Sprache, die er noch nie gehört hat, findet er zuallererst interessant, möchte sie anfassen, sie kennenlernen, er gibt ihnen die Hand. Lächeln Menschen ihn an, unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig von ihrem Status in der Gesellschaft, freut er sich und lächelt zurück. Seine Sympathie hängt nicht von einem Pass oder der Religion der Menschen ab, die er trifft. Dass er Russisch und Deutsch hört und versteht, ist für ihn selbstverständlich. Mama singt ihm in der einen Sprache vor, Papa in der anderen; Hauptsache, jemand singt. Dass dies mit (s)einem Migrationshintergrund zu tun hat, dass dieser auch ein Problem sein könnte, davon weià er nichts. Wenn ich ihm eines wünsche, dann ist es das: Dass dies so bleibt. Dass er in Deutschland aufwächst und hier Menschen kennenlernt. Einfach nur Menschen.
Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH.
Â
Erste Auflage
Februar 2012
Â
Copyright © 2012 by Pantheon Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Â
Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Satz: Ditta Ahmadi, Berlin
Â
Â
eISBN 978-3-641-05675-9
Â
www.pantheon-verlag.de
www.randomhouse.de
Weitere Kostenlose Bücher