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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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Reibereien, trotz verschiedener Angewohnheiten eine Familie ist. Das ist Integration.
    Aber ist tatsächlich davon die Rede, wenn von Menschen mit Migrationshintergrund und ihrer Integration in dieses Land gesprochen wird? Verhält man sich wie eine große Familie, zu der jeder sowohl mit seinen positiven Eigenschaften als auch mit seinen Schwächen und Fehlern dazugehört? Lebt man so zusammen, arrangiert man sich so, als ob alle Teil dieser einen Familie sind, der eine nicht weniger als der andere? Oder schwingt in dem Begriff – mittlerweile und nur in diesem Zusammenhang – nicht immer nur eine Forderung mit? Die sollen sich gefälligst mal integrieren. Warum integrieren sie sich nicht besser, warum verweigern sie sich der Integration? Und wie soll man auf diese Forderung reagieren, die oft unausgesprochen bleibt, manchmal aber auch explizit ausgesprochen wird, immer nur die eine Seite in die Pflicht nimmt und des Öfteren noch nicht einmal mit konkreten Wünschen einhergeht? Wie macht man das: sich integrieren?
    Angenommen, ich bin ein aus Anatolien stammender Zuwanderer, ich wache eines Morgens auf, schaue aus dem Fenster, sehe die Sonne blitzen, sehe die Menschen zur Arbeit, die Kinder in die Schule eilen, und sage mir: »Ja, ich glaube, ich möchte mich in dieses Land integrieren. Ich glaube, heute ist ein guter Tag, um mit der Integration anzufangen.« Stellt man sich den Integrationswunsch von außen ungefähr so vor? Aber was dann? Was mache ich als anatolischer Zuwanderer
dann? Deutsch lernen, so viel ist klar, und außerdem? Eine Butterbrezel kaufen? Sauerbraten zubereiten lernen? Die Lindenstraße schauen? Und reicht das? Muss ich mir nicht noch die Haare blondieren lassen? Meinen Namen ändern? Von Acarcan Yilmaz in Achim Ilmetz? Und dann, bin ich dann integriert? Das sagt einem doch keiner, wie das geht, die Sache mit der Integration!
    Freunde, die einen Garten übernommen haben und ihn gerne ein bisschen wilder, zugewachsener gestalten wollten, waren monatelang damit beschäftigt, aus dem zentimetergenau getrimmten Rasen des Vorbesitzers eine Wiese zu machen, seine Gartenzwerge beim Wertstoffhof zu entsorgen und die symmetrisch angelegten, nach Farben sortierten Rosenbeete zu entfernen. Der Vorbesitzer hatte den Garten aufgegeben, weil er in die Türkei zurückgegangen war. Was mich erst einmal erstaunte, wo er sich doch so gut integriert hatte mit seinem peinlich gepflegten Grün samt Gartenzwergmitbewohnern. In einem Nebensatz erzählten meine Freunde von einem Gespräch mit ebendiesem Vorbesitzer, bei dem jemand als Übersetzer dabei gewesen sei, denn der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Mann, der sich einen Schrebergarten gesichert und ihn so deutsch wie möglich gestaltet hatte, war der deutschen Sprache anscheinend nicht mächtig gewesen.
    Wäre es aus integrationstechnischen Gründen besser gewesen, er hätte seine Zeit zum Deutschlernen genutzt statt Gartenzwerge anzuordnen? Angenommen, sein Deutsch wäre ein akzentfreies gewesen, sein Garten aber ein unordentlicher, mit orientalischen Kräutern und wuchernden Hecken, in dem sich jedes Wochenende die riesengroße, Wasserpfeife rauchende Familie versammelt hätte? Aus dem türkische Musik gedröhnt hätte, man stelle sich nur vor, auf dem Grill wären
keine Würstchen gelegen, sondern ein großer Döner-Spieß hätte darüber gehangen, für jeden Gartenkoloniebesucher durch den Zaun gut erkennbar? Dunkelhaarige, kreischende Kinder, Frauen in Kopftüchern, die diese zu beruhigen versuchen, brustbehaarte Männer mit nacktem Oberkörper, die sich sonnen? Angenommen, all diese Menschen hätten perfekt Deutsch gesprochen zwischen dem Gejaule der türkischen Musik, hätten sich die Nachbarn mehr gefreut? Wenn der Vorbesitzer dieses Gartens Deutsch gelernt und Gartenzwerge aufgestellt hätte, wäre er dann nicht mehr der Türke der Gartensiedlung gewesen?
    Das sagt einem ja keiner, wie das mit der Integration geht!
    Vielleicht, weil es keiner weiß.
    Eine Freundin, die sich nicht nur beruflich mit diesem Thema auseinandersetzt, sondern auch deshalb, weil sie selbst eine von denen ist, die sich integriert hat/integrieren sollte/ integriert haben sollte, sprach letztens von »dieser schrecklichen Integration«. Sie verwendete das Adjektiv »schrecklich«, ohne es näher zu erläutern, weil es eigentlich um etwas

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