Sie nennen es Leben
Frage nachgegangen.
1. Digital natives â Wer sie sind und warum es sie eigentlich nicht gibt
Eigentlich bricht die Gesellschaft ja auseinander. Traditionelle Geschlechterrollen lösen sich auf, Parteien verlieren ihre Stammwähler, Parallelgesellschaften entstehen. Nur eine Gruppe scheint sich dem Trend zur Fragmentierung zu widersetzen: Die » digital natives « , » Net Kids « oder » Millennials « â auch genannt » Generation Internet « , » Generation Instant Messaging « oder » Generation @ « . Gemeint sind die Kinder und Jugendlichen, die mit dem Internet aufgewachsen sind und sich ein Leben ohne WLAN und Smartphone nicht mehr vorstellen können. Sie sind bestens vernetzt und ständig erreichbar, machen zu jeder Zeit Fotos mit ihrem Handy und laden sie zeitgleich im Netz hoch. Sie üben sich in Multitasking und teilen ihre Befindlichkeiten über Twitter und Facebook mit. Die ältesten von ihnen haben gerade die 30 überschritten, die jüngsten von ihnen werden in diesem Moment geboren, und ein Ende des Nachschubs ist nicht abzusehen: jedes Kind, das in Zukunft auf die Welt kommt, wird ein Kind des digitalen Zeitalters sein.
GröÃer als die Zahl der Namen ist nur die Vielfalt der Deutungen, was von diesen Kindern zu halten ist. Das Spektrum reicht von Euphorie bis Weltuntergang: Die einen freuen sich über » intelligentere und klügere Kinder als noch in der Generation davor « (Don Tapscott), die anderen schüttelt es angesichts der » dümmsten Generation, die jemals war « (Mark Bauerlein). GemäÃigte Stimmen sind dabei selten: meist pendelt die öffentliche Diskussion um Jugendliche und ihre Online-Gewohnheiten zwischen diesen Extremen. Entweder weisen die » digital natives « mit ihren Kenntnissen den Weg in die goldene digitale Zukunftâ oder sie verscherbeln gerade das intellektuelle Erbe einer ganzen Epoche. Nur eines haben die Verfechter beider Positionen gemeinsam: Sie kämpfen um die Deutungshoheit über die » Generation @ « .
Bereits 1997 erschien mit Don Tapscotts » Growing Up Digital « (auf Deutsch: » Net Kids « ) das erste Buch, das sich ausschlieÃlich damit beschäftigte, was es für Kinder bedeutet, wenn ihnen digitale Medien von ihrer Geburt an und zudem 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen. Die » Net Generation « nannte er die Jahrgänge ab 1980 â und begrüÃte sie gleich mit mehreren Paukenschlägen auf der Welt: » Zum ersten Mal in der Geschichte gehen Kinder entspannter, kenntnisreicher und selbstbewusster als ihre Eltern mit einer Innovation um, die von zentraler Bedeutung für die Gesellschaft ist. Und durch den Gebrauch von digitalen Medien wird die Net Generation ihre Kultur entwickeln und dem Rest der Gesellschaft überstülpen. «
Für Tapscott ist die » Net Generation « eine Generation, die Hoffnung schenkt: Indem sie sich über Kontinente und soziale Grenzen hinweg vernetzt, erweist sie sich als neugieriger und toleranter als alle anderen Generationen vor ihr. Sie erobert die digitale Welt selbstbewusst und selbstständig, hinterfragt Autoritäten und kann auf das unbegrenzte, mit jeder Sekunde weiter wachsende Wissen im Netz zurückgreifen.
Dieser euphorischen Argumentation sind in den USA viele Autoren gefolgt. Neil Howe und William Strauss begrüÃten 2000 in » Millennials Rising « begeistert die » nächste groÃartige Generation « ; Marc Prensky prägte 2001 den Begriff der » digital natives « und wagte es sogar, das Anbrechen des digitalen Zeitalters mit einer physikalischen Singularität zu vergleichen: ein Einschnitt in der Menschheitsgeschichte so groà wie der Urknall.
Differenzierter in der Analyse, aber sprachlich nicht weniger radikal haben zuletzt John Palfrey und Urs Gasser in ihrem viel beachteten Buch » Born Digital « 2008 (auf Deutsch: » Generation Internet « ) die » digital natives « beschrieben: Sie » verfügen über das Potenzial und die Fähigkeiten, die Gesellschaft auf vielfältige Weise weiter voranzubringenâ wenn wir es denn zulassen. « Erwachsene, die die Digitalisierung ignorieren, gefährden laut Palfrey und Gasser die Zukunft der Menschheit. Entweder zerstöre man » das GroÃartige am Internet « und hindere die jungen Menschen daran, das Medium nach ihren Vorstellungen zu nutzenâ oder man
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