Sie nennen es Leben
Schülern insgesamt eher schaden als nutzen.
Von den Massenmedien weitgehend ignoriert, häufen sich mittlerweile die wissenschaftlichen Studien, die die Ergebnisse von Bennett und Kollegen bestätigen. Der kanadische Pädagogik-Professor Mark Bullen hat sogar ein eigenes Blog dafür:Auf netgenskeptic.com trägt er Studien zusammen, die den Mythos der » digital natives « widerlegenâ und die Sammlung wächst fast wöchentlich.
» Der Begriff âºdigital nativesâ¹ ist doppelt irreführend « , sagt Uwe Hasebrink. Der Medienwissenschaftler ist Leiter des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg und hat den deutschen Teil der » EU Kids Online « -Studie betreut. » âºDigitalâ¹ suggeriert, dass von allen Medien nur das Internet für Jugendliche wichtig wäre. Dabei spielen weiterhin auch Radio und Fernsehen eine groÃe Rolle in ihrem Alltag. « Tatsächlich liegen Fernsehen und Internet fast gleichauf, was die Nutzungsintensität angeht: 63 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland zwischen 12 und 19 Jahren nutzen das Internet täglich. Beim Fernsehen liegt die Zahl bei 61 Prozent. Beide Medien werden von je 27 Prozent mehrmals in der Woche genutzt.
» Der Begriff âºnativeâ¹ unterstellt auÃerdem eine Technik-Kompetenz, die nicht gegeben ist « , sagt Hasebrink weiter. » Wie alle anderen Nutzer auch müssen sich Kinder und Jugendliche die Technik erst aneignen. Dabei entstehen zum Teil sehr unterschiedliche Nutzungsmuster und -fähigkeiten. «
Wie sich diese Muster und Fähigkeiten gestalten, haben zahlreiche Studien gezeigt. Einige der Ergebnisse sind:
Gymnasiasten nutzen das Internet anders als Hauptschüler: Sie greifen häufiger auf Suchmaschinen zurück und suchen öfter nach Informationen zum aktuellen Weltgeschehen. Weil Gymnasiasten gezielter an die gewünschten Informationen kommen und offener dafür sind, neue Onlineangebote auszuprobieren, ist ihre Internetnutzung insgesamt effizienter; Hauptschüler interessieren sich eher für Popstars und Computerspiele und verbringen mehr Zeit mit Online-Spielen, wobei es natürlich individuelle Schwankungen gibt;
Jugendliche mit höherer Bildung kommunizieren anders als Gleichaltrige mit niedrigerer Bildung: Sie chatten weniger, sondern schreiben deutlich mehr E-Mails und registrieren sich häufiger auf Internetseiten, um über Newsletter etc. an exklusive Informationen zu kommen;
Mädchen surfen anders als Jungen: Sie nutzen zum Beispiel Social Networks häufiger;
Homosexuelle Teenager suchen häufiger andere Kontakte im Internet als heterosexuelle: Sie neigen eher dazu, den Austausch mit (homosexuellen) Unbekannten zu suchen und diese in der Folge auch zu treffen.
In der Masse verdeutlichen die Daten: Nicht das Geburtsjahr bestimmt, wie jemand das Internet nutztâ sondern seine Stellung in der Gesellschaft. Alle sozialen Merkmale, die das Leben offline bestimmenâ von der sozialen Herkunft bis zur sexuellen Orientierungâ, prägen es auch online.
Das etwas andere elektrische Drama
Die Verzahnung von On- und Offline-Welt wird aber weder von Netz-Euphorikern noch Apokalyptikern angemessen zur Kenntnis genommen. Nach ihrer Sichtweise trifft eine neue Technik auf die Gesellschaft wie eine Bowlingkugel auf die Pins: Bewegung gibt es nur in eine Richtung. Feedback, Interaktion oder Rückschritte sind nicht vorgesehen.
Dieses deterministische Technikverständnis hat eine lange Tradition. » Die Jugend besitzt ein instinktives Verständnis der heutigen Umweltâ des elektrischen Dramas « , schrieb der Medientheoretiker Marshall McLuhan bereits 1967 in seinem berühmten Traktat » Das Medium ist die Botschaft « . Mit dem sloganhaften Titel gab er die Marschrichtung für eine Forschung vor, die das Medium, nicht den Menschen in den Vordergrund rückt.
Diese Linie setzen auch die beiden Lager der Netzdeuter fort. Ihre » digital natives « scheinen keine eigenständigen Personen zu sein. » Wenn Menschen Medien nutzen, dann muss mindestens ein persönlicher Grund für dieses Verhalten existieren « , schreibt der Soziologe Klaus Treumann. Das klingt wie eine Binsenweisheit, wird im Zusammenhang mit dem Internet aber immer wieder vergessen: Am Anfang steht das persönliche Bedürfnis. Keiner wird gezwungen, Mitglied bei Facebook zu werden oder andauernd Transfermarkt.de nach den
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